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farc.de

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Medieneinfluss kann heute kriegsentscheidend sein, und jeder kleine Warlord weiß, dass sein nicht ganz uneigennütziger Einsatz im großen Monopoly um Einflusssphären und Bodenschätze ohne mediale Präsenz zum Scheitern verurteilt ist. Der internationalen Öffentlichkeit muss er seine Aktionen als Kampf von Gut gegen Böse verkaufen, wobei er als kleiner Entertainer der Gewalt natürlich das Gute vertritt und die Rolle des Bösen vorzugsweise dem Moloch des Imperialismus zuweist.

In den internationalen Netzwerken, über die solche Botschaften verbreitet werden, spielt auch der Kulturbereich eine Rolle. Wie das geht, konnte man jüngst beim Auftritt des schwedischen Performancekünstlers Dror Feiler in Donaueschingen studieren. Er machte sich für den Kampf der kolumbianischen Guerillatruppe FARC gegen den amerikanischen Imperialismus stark, indem er unter Hochdruck in sein Saxophon blies, die Lautsprecher auf Alarmstufe stellte und dazu Brechts Text „Fünf Schwierigkeiten vom Schreiben der Wahrheit“ auf die Videowand projizierte: Ein Appell an die bürgerlichen Intellektuellen, sich im Kampf gegen den Faschismus auf die Seite der Unterdrückten zu stellen und mit ihnen für den Sozialismus zu kämpfen. 1938, als Brecht das niederschrieb, waren gerade die stalinistischen Schauprozesse vorbei, Links und Rechts standen sich kriegsbereit gegenüber.

Wenn einer im Jahr 2008 so emphatisch zur Mobilmachung gegen den Faschismus bläst, weckt das Neugierde. Wir klicken auf www.farc.de und erleben eine Überraschung: Anstelle einer Selbstdarstellung finden wir dort das Tagebuch des deutschen Entwicklungshelfers Thomas Künzel, der 2001 mit zwei Kollegen von der FARC als Geisel genommen wurde und während Wochen unter Todesangst lebte. Die edlen Freiheitskämpfer entpuppen sich aus der Sicht der Opfer als ganz gewöhnliche Kriminelle, die sich auf Erpressung und Mord spezialisiert haben: dumm, korrupt, rassistisch und schießwütig.

Noch eine weitere Gegeninformation findet man hier: Die Übersetzung eines Zeitungsartikels aus Spanien, in dem aus E-Mails des kürzlich getöteten FARC-Führers Raúl Reyes zitiert wird – desselben Reyes, dem Dror Feiler sein Donaueschinger Opus gewidmet hat und dessen Computer in die Hände der kolumbianischen Armee gefallen war. Darin geht es um die in Skandinavien ansässige Nachrichtenagentur ANNCOL, die im Verdacht steht, als Nachrichtenarm der FARC zu fungieren. Laut „Semana“ schreibt Reyes in einer Mail von 2004, er habe diese Agentur angewiesen, „Kontakte zu dem schwedisch-israelischen Musiker Dror Feiler“ aufzunehmen, um den Redaktionsbeirat zu erweitern.

Falls der Bericht von „Semana“ stimmt, stand in Donaueschingen nicht der engagierte Künstler Dror Feiler auf der Bühne, sondern der Propagandist einer Gangstertruppe. Es wäre an ihm, hier für Klarheit zu sorgen. Ansonsten steht seine nächste Performance ungewollt unter dem Motto: „Die Schwierigkeit vom Verschweigen der Wahrheit.“

Mehr zur den Donaueschinger Musiktagen demnächst unter www.nmz.de/media

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