In letzter Zeit scheinen sich die Fälle zu häufen, in denen Künstler den Vorwurf machen, andere würden sich an ihren kreativen Leistungen bereichern. Damit meinen sie jetzt nicht die oft ins Feld geführten Downloadsünder, die wie vor Madagaskar als Piraten unterwegs seien, sondern andere Künstler, denen vorgehalten wird, sie würden ihre Musik wirklich klauen. Fast immer sind es halbwegs unbekannte Künstler, die beklaut würden. Eine norddeutsche Gruppe „Nordrach“ ging so gegen Gary Moores „Still got the blues“ vor, momentan kämpft eine französische Band „Dark Sanctuary“ vor dem Hamburger Landesgericht gegen Bushidos Verwendung ihrer Musik, Kraftwerk ist unlängst gegen Moses Pelham vorgegangen. Andere Fälle sind Legion. Es scheint, als habe die Finanzkrise längst in der Popmusik stattgefunden. Die Töne werden wohl knapp. Immer ähnlicher werden sich die Stücke, nicht nur bei denselben Künstlern wie einstens bei Modern Talking oder Baccara, die ohnedies nur das gleiche Stück spielten. In den USA passiert das alles sogar offensiv und wird als Mashup bezeichnet, was früher, somit selbst Plagiat, einmal Bastard-Pop hieß.
Wenn man in den historischen Dimensionen der E-Musik denkt, wäre es wohl so etwas wie „Musique Musique concrete“ und ihr Altmeister Bernd-Alois Zimmermann. In noch älterem Zusammenhang spricht man wohl von Parodie oder, je nachdem, von Kontrafaktur. Wenn man es noch weiter musikwissenschaftlich runterbrechen möchte, läuft sowieso alles auf Heinrich Schenkers Ursatz hinaus. Das wäre dann so recht eigentlich die DNS der tonalen Musik. Denn im Prinzip stammen wir Europäer alle von diesem musikalischen Affen ab. Was heißt das aber konkret? Es erklärt den Umstand, dass im Bereich der urheberrechtlich geschützen E-Musik unter den Top10 der einnahmestärksten Werke 2008 drei Stücke von Jean Sibelius zu finden sind. Seine Tondichtung „Finlandia“ hatte bereits 1917 diesen Status. Warum? Wegen des Ursatzes der musikalischen DNA darin. Kein Wunder also, dass Sibelius mit dem Komponieren in den 1920er-Jahren aufhören konnte. Er hatte schon alles gesagt. Wer jetzt mal ganz genau hinhört, der wird in aller Musik seither, ob von Moritz Eggert, Helmut Lachenmann oder Eliott Carter eben eigentlich „Finlandia“ hören. Wenn das mal vor Gericht geht, dann Prost Mahlzeit!