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Laterne, Laterne. Foto: Hufner
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Fischen beim Singen

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Ferchows Fenstersturz 2018/11
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Geiler „move“ von RTL. Nachdem die letzte DSDS-Jury“ komplett mit Nieten besetzt war, die inklusive Dieter Bohlen keiner kannte (Ella und Carolin Schießmichtot) beziehungsweise deren musikalisches Erbe sehr überschaubar war (Mousse T.), hat RTL die Faxen dicke. Ein Fachmann muss her. Nichts gegen Bohlen, aber den Regler am Mischpult hochziehen bekommt selbst der Wendler auf die Kette. RTL holt sich also Xavier Naidoo ins Boot. Moment. Kann man das in der aufgeheizten Stimmung noch sagen? „Ins Boot holen“? Oder ist man dann gleich ein Flüchtlingsgegner und wird direkt vom Stammtisch weg nach Lampedusa geschleift und von einer Flüchtlingsorganisation an einen gestrandeten Blauwal gekettet? Egal. RTL nimmt das große Besteck. Nicht Kollegah oder Farid Bang, die beiden ECHO-Pumpen. Nein. Direkt Xavier Naidoo.

Tja, warum auch nicht? Demokratie muss das aushalten können. Und RTL muss eben mittlerweile polarisieren. Und wer, wenn nicht Savior (so nennen ihn die Reichsbürger, äh, seine Freunde), wäre geeigneter dafür? Beatrix von Storch mit einer Patenschaft in Yad Vashem oder ein Autokonzern, der seine Kunden für unverschuldeten Betrug blechen lässt? Eher nicht. Apropos. Kleine Frage an die DSDS-Macher: Warum mit Naidoo geizen, wenn man den Babo haben kann? Ein Alexander Gauland hätte doch seinen Reiz in der Jury. Was wären das für Szenen, wenn die ersten Künstler auftreten, die Gauland weniger gern als Nachbarn hätte. Oder die trotz der „Vogelschiss“-NS-Zeit doch noch frei herumlaufen dürfen (Nahaufnahme Gauland / Ennio Morricones Titelmusik aus „Zwei glorreiche Halunken“ setzt ein / Kamerafahrt durchs Studio auf den Kandidaten / Hüsteln im Publikum, das aber dann trotzdem willenlos aufspringt und jubelt). Großes Kino. Große Bilder.

„Uiuiui“, stöhnen da die ersten wieder. Politische Korrektheit. Ach, was sind wir nur für Weicheier. Sofort Embryonalstellung. Wenn es strammer wird. Mal ehrlich. Ob Naidoo nun vor Reichsbürgern gepredigt hat oder der Vorwurf im Raum stand, er verbreite mit seinem Song „Marionetten“ antisemitisches, rechtspopulistisches und verschwörungstheoretisches Gedankengut, dürfte die Flachzangen-Zielgruppe des DSDS-Formats herzlich wenig interessieren. Hauptsache der Smartphone-Akku ist voller als der Aschenbecher. Die DSDS-Zielgruppe soll ja keine Meinung haben. Die sollen gefälligst anrufen. Und so gesehen ist es egal, wer da als Juror sitzt.

Aber vermutlich macht es sich RTL mit der Installation Naidoos etwas zu leicht. Sich hinter einer richterlichen Entscheidung unter dem Deckmantel der überstrapazierten „künstlerischen Freiheit“ zu verstecken, die Naidoo von dem Vorwurf des Antisemitismus freisprach, ist arg billig. Man muss schon aufpassen, wen man auf eine desorientierte Zielgruppe loslässt. Nicht, dass mich Karl Dall in den Anfängen des Privatfernsehens irgendwo hin gelotst hätte, aber ich finde schon, man darf die DSDS-Fans nicht alleine lassen. Lasst sie uns abholen, bevor es andere tun.
 

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