Hauptrubrik
Banner Full-Size

Gast-Stätte?

Publikationsdatum
Body

Eigentlich sollten wir über die Zeiten hinaus sein, wo ein Gott, um sein Glaubensmonopol kämpfend, den anderen den Garaus macht. Und um Verdrängung von Götzen, die der Wollust und dem Reichtum fröhnen, kann es doch auch nicht gehen, wenn eigentlich Begegnung ansteht. So verwundert es doch, dass die Augsburger Diözesan-leitung Ende letzten Jahres den Leiter der Musikakademie Marktoberdorf aufforderte, in Zukunft beim Festival Musica Sacra International islamischen, buddhistischen und hinduistischen Ensembles die Kirchenräume zu verwehren. 1989 wurde die Idee zu diesem Festival geboren, bei dem Angehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen aus allen Regionen der Welt zusammen musizieren und sich gegenseitig ihre Formen geistlicher Musik vorstellen. Es war eine schöne Idee, getragen von einem Aufbruchsgeist der Religionen, die ihre Differenzen gar nicht hinter dem Licht halten wollten, die aber dennoch die Begegnung, den Dialog und den Austausch suchten. Es war eine der großen weltpolitischen Leistungen des letzten Papstes, dass er diese Notwendigkeit sah und sie offensiv vorlebte. Das hat ihm die Sympathie der Jugend auf der ganzen Welt eingebracht. Freilich, dies verlangt Weite des Herzens, nicht enge und dazu noch kurzsichtige Kirchenpolitik. Sollte der Rückzug der katholischen Kirche so etwas wie ein vorauseilender Gehorsam im Hinblick auf den kommenden Papst gewesen sein?

1998 hatte Bischof Viktor Josef Dammertz noch geschrieben: „So hoffe und wünsche ich, dass die Veranstaltungen des Festivals Musica Sacra International diesem Dialog der Religionen dienen und neue Impulse geben; mögen die Menschen hierzulande in der Begegnung mit geistlicher Musik unterschiedlicher Religionen und Konfessionen bestärkt werden in dem Bewusstsein, dass der Mensch eine ‚re-ligio’, eine Rückbindung an Gott braucht, um wirklich Mensch zu sein und zu bleiben.“ Doch schon sieben Jahre später liest sich die Meinung der Kirche (übrigens hatten während der Jahre auch evangelische Kirchen Bedenken angemeldet) so: „Im Hinblick auf die Nutzung unserer Kirchen für Darbietungen nichtchristlicher kultischer wie auch musikalischer Elemente (etwa buddhistischer Tempeltanz, hinduistische oder islamische Kulturdarbiertungen et cetera) können wir unsere Zustimmung nicht erteilen.“

Argument ist, dass der sakrale Ort entweiht würde. Aber ist das wirklich der Fall? Ein Konzert ist keine Messfeier, soll es nicht sein. Ist der Ort nicht mehrfach zu definieren? Also neben dem Ort, an dem die christlichen Sakramente vollzogen werden auch als Ort des Refugiums für wen auch immer, als Stätte der Gastlichkeit, der vollzogenen Nächstenliebe, des Austauschs auch von gesellschaftlichen und politischen Fragen? Und sollte hier die Kirche nicht neue Lebensformen vorleben, anstatt die gesellschaftlich bekannten der Ab- und Ausgrenzung des anderen zu duplizieren?

Es war eine überwältigende und für viele auch überraschende Sympathiewelle, die dem sterbenden Papst Johannes Paul II. gerade von der jungen Generation entgegenschlug. Es lag nicht unbedingt an seinen Meinungen, die oft an der Lebenswirklichkeit vorbei gingen (Schwangerschaftsberatung et cetera). Es lag an der Methode, mit der er zu Schlüssen fand. Und die hieß Unvoreingenommenheit, Austausch, Selbstbefragung im Angesicht anderer Lebensformen. Die Kirche tat hier einen mutigen Schritt, auch einen der Stärke. Musica Sacra passte ins Bild. Jetzt wird es wieder zum Trugbild.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!