Wenn der Kanzler die lange erwartete und in sämtlichen Medien von allen schlauen Chefredakteuren bereits vorab gehaltene „Rede an die Nation“ endlich selbst hält, dann wundert sich der Kulturschaffende kaum noch. Kein Wort über die kränkelnde Kulturszene und die sie vermarktenden Firmen und Einzelkämpfer, wo es auch um Arbeitsplätze und deren Abbau oder eine Schaffung derselben geht; kein Wort über Urheberrecht im Zeitalter ausufernder Marken- und Ideen-Piraterie, welche im www inzwischen neben der Musikbranche auch die Film- und Buchproduzenten zu spüren bekommen; kein Wort über den Wert der Kreativität im Lande, welche bekanntlich im Exportland den Erfindergeist erst so richtig auf Trab bringt; kein Wort über Musikunterricht im Zeichen des schiefen deutschen Bildungsturms von PISA, wo alte wissenschaftliche Studien über den hohen Stellenwert der Musik auf das Lern- und Sozialverhalten der Schüler bei PISA-Gewinnern wie Finnland in der Realität bewiesen werden und Hinweis auf deren intakte Musikkultur in Schule und Gesellschaft sind.
Worte für Kultur werden bei uns zunehmend Okkupanten überlassen, die sich dann nicht selten wie der viel zitierte Elefant im Porzellanladen aufführen. Ob „junge Wilde“ in der Kulturvermarktung und den Medien mit ihrem übertriebenen Hang zum „totalen Event“ oder „alte Säcke“ in Feuilleton, Politik oder Industrie mit ihrer bedenkenträgerischen Undynamik – Deutschlands Reformstau wird im Kultursektor dramatisch deutlich reflektiert. Und in der Politik gehen sowieso langsam die Lichter aus. Aus den Kreisen der Kultusministerkonferenz dröhnt ein Ächzen und Stöhnen, man schleppt schweren Bildungsballast ins neue Jahrtausend, jetzt muss aber – endlich! – Schluss sein mit musischem Restschnickschnack, jetzt gibt‘s was naturwissenschaftliches hinter die Rotzlöffel. Außerdem will man nun auch Ausländer besser integrieren. Hört, hört.
Die integrieren sich aber nirgends besser als im vernachlässigten Kulturbeet, was Schriftsteller wie Feridun Zaimoglu und Popstars wie Xavier Naidoo sprachvirtuos präsentieren. Wenn bei fünf Millionen Arbeitslosen Tristesse um sich greift, muss neben sozialem Halt auch die Würde des Menschen bewahrt werden, auch das bedeutet Integration – denn der Mensch lebt nicht vom Brot, vom Geld, vom Job allein. Er kann aber inmitten sozialer Depression sein Heil in der Kultur suchen und dort einen Job finden, was Teil der Popgeschichte ist und an Kinder der Arbeiterklasse wie Rod Stewart erinnern lässt. Das aber ist eine kulturelle Erkenntnis und mehr als sentimentale Erinnerung. Elefanten in Porzellanläden brauchen aber keine Kultur und kein Gedächtnis, sie trampeln über alle Probleme hinweg, mal sehen, ob‘s dann hilft.