Eigentlich könnte er einem anal (das Ereignis verlangt gewählte Ausdrucksweise) vorbeigehen. Der Wiener Opernball feiert alljährlich die Wiederauferstehung der k. und k. Monarchie in großbürgerlicher Verkleidung. Die Oper wird dazu tanzbodengemäß flach gelegt, die Logenpreise dürfen im Gegenzug unermesslich in die Höhe gehen.
Die Finanzkraft zahlt und fühlt sich geehrt. Und ob dabei die demonstrativ gelangweilte Paris Hilton (ein Hoch auf den Gesichtsdekorateur), die bei jedem S-Laut ins Mikrophon zischelnde und kratzende Anna Netrebko (ein Hoch auf den alkoholisierten Tonmeister!) oder gar ein von Operndirektor/Kutscher Ioan Holender aufs Parkett verführtes Pferd (nicht äpfelnd, ein drittes Hoch der Pferdemedizin!) die Hauptattraktionen darstellten, ist im Grunde auch allen schnurz. Bundespräsident Heinz Fischer, Neu-Kanzler Alfred Gusenbauer oder wer auch immer sagen be- oder entgeistert alle das Gleiche.
Sie bewundern die Farb- und Lichterpracht des großen Ereignisses, das jedes Mega-Event in den Schatten stellt. Und sie bejammern die Tücken des zur Etikette gehörenden Fracks mit seinen vertrackten Knöpfvorrichtungen, den sie ohne die liebenden Hände ihrer Lebensgefährtinnen niemals geschultert hätten. Und da schreiten sie schon, die schönsten und zartest errötenden Jungfräulichkeiten zum festlichen Einzug ins Pandämonium der Macht: zu pflückende Pflänzlein und deren Kolporteure – ein Initiationsritus im Sinne eines sich fortpflanzenden Status quo. Nun soll jeder so feiern, wie es seinem finanziellen und geistigen Stand entspricht.
Das Schlimme ist nur, dass man dem gemeinen Volke vorgaukelt, dies sei das Erhabenste, was die Hochkultur in ihrer Wohnstätte Oper zu leisten im Stande ist (noch schlimmer freilich ist der kräftig keimende Verdacht, dass es wirklich so ist). Die wirklich mit einer Jahrhundertstimme beschenkte Netrebko wird zur gemeinen Liebedienerin, der Operndirektor dekuvriert sich als pferdelenkendes Depperl des Betriebs, die Staats- und Wirtschaftsmacht klatscht Beifall. Und jede mediale Schaltstelle macht mit, als seien hier die letzten Schätze abendländischer Kultur zu bergen. Alle outen sich und man hätte nur das Gelächter darüber, wenn es nicht im Halse stecken bliebe: weil man ahnt, dass der Mummenschanz die Wirklichkeit ist.