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Goldene Schallplatten sind das eine

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Zum Jöcker-Artikel „Kinder verdienen die gleiche Qualität wie Erwachsene“ nmz 3/01, S. 16
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Was sich verkauft, hat noch lange kein Gütesiegel, oder, wie Karl Kraus es etwas drastischer sagt: „Je größer der Stiefel, desto größer der Absatz!“ Da gibt es einen Klänge- und Texteschreiber für die Marktlücke des so genannten „modernen“ Kinderliedes, und der kommt an – zunächst bei Omas, Müttern und bei oft musikalisch unzureichend ausgebildeten Erzieherinnen. Treuherziges fürs Auge wie das Bild in besagtem Artikel und die Darstellung missionarisch-selbstlosen Einsatzes tun ein Weiteres. Über solche CD-kaufende Klientel geraten diese Kaufhaus-backgroundenden Sterilitäten an das Opfer Kind. Nun: Dies ist nichts Neues. Von der farbstrotzenden Süßigkeit in Augenhöhe des Kindes im E-Center bis zur ellbogenstärkenden Prestigemarke im Textilbereich ist das Kind ja längst umworben und ein Wirtschaftsfaktor zum Leidwesen vieler Eltern geworden. Auf diesem Feld gäbe es wenig einzuwenden, wenn dieser Schuster auch bei seinem Leisten als psychologisch-marktwirtschaftlich sensible Schallverkaufs-Nase samt entsprechenden Klangergebnissen bleiben würde. Das ist doch schon etwas!

Was sich verkauft, hat noch lange kein Gütesiegel, oder, wie Karl Kraus es etwas drastischer sagt: „Je größer der Stiefel, desto größer der Absatz!“ Da gibt es einen Klänge- und Texteschreiber für die Marktlücke des so genannten „modernen“ Kinderliedes, und der kommt an – zunächst bei Omas, Müttern und bei oft musikalisch unzureichend ausgebildeten Erzieherinnen. Treuherziges fürs Auge wie das Bild in besagtem Artikel und die Darstellung missionarisch-selbstlosen Einsatzes tun ein Weiteres. Über solche CD-kaufende Klientel geraten diese Kaufhaus-backgroundenden Sterilitäten an das Opfer Kind. Nun: Dies ist nichts Neues. Von der farbstrotzenden Süßigkeit in Augenhöhe des Kindes im E-Center bis zur ellbogenstärkenden Prestigemarke im Textilbereich ist das Kind ja längst umworben und ein Wirtschaftsfaktor zum Leidwesen vieler Eltern geworden. Auf diesem Feld gäbe es wenig einzuwenden, wenn dieser Schuster auch bei seinem Leisten als psychologisch-marktwirtschaftlich sensible Schallverkaufs-Nase samt entsprechenden Klangergebnissen bleiben würde. Das ist doch schon etwas!Nun gehörte es sich ja auch zur Verkaufsstrategie solcher Marktlückenaufreißer, dem ganzen Werbepaket auch noch einen „pädagogisch-wertvoll“-Stempel zu verpassen. Das Stempelkissen wird durch Frau Böger ja schon reichlich besaftet (das Goethe-Institut träufelt in wahrer Musikkennerschaft anscheinend massenheischend mit). Aus den Niedlichkeiten mit dem „kleinen Detlev“ schwingt sich der Artikel zum einen zur Wiedergabe der Aussage Jöckers empor, dass es sein Anspruch sei, dass Kinder die gleiche Qualität verdienten wie Erwachsene, wobei er sicher nicht meinte, dass Erwachsenen grundsätzlich schlechte Qualität zuzuordnen wäre. Der andere Aussagenhöhepunkt dieser Art ist folgende Passage: „Denn oft genug steht er am Pranger und wird angegriffen: Seine Musik sei zu seicht, kommerziell und ohne pädagogischen Tiefgang. Dennoch war er im letzten Jahr der erfolgreichste Kinderliedermacher.“

Diese Logik ist nichts als hirnrissig. Demnach müsste etwa Heino als die überragende Musikerpersönlichkeit nach Christi Geburt in die Musikgeschichte eingehen. Jöcker in die Charts! Karl Kraus lässt grüßen.

Deshalb: Kommerzielles akustisches Erzeugnis – akzeptiert; pädagogischer und künstlerischer Anspruch dieses Erzeugnisses – scharf zurückgewiesen! Herr Jöcker sollte sich zur Aufwertung seines geschäftlichen Erfolges oder zur Beruhigung seines Gewissens nicht erdreisten, seine Klischeenummern als wertvolle Musik deklarieren zu wollen. Vielleicht würde er antworten: „Will ich auch gar nicht, mir geht es nur um das Kind!“ Erzeugnisse aus solchen Intentionen sollten einer Genehmigung durch unabhängige Instanzen unterliegen, ähnlich wie Schulbücher. Denn Musik ohne Originalität, ohne Einfälle, produziert mit satter Elektronik einschließlich entsprechender Kinderstimmenklangmanipulation, also ohne den geringsten Anflug von Natürlichkeit als Vorgabe zum Nachahmen und Weitererfinden, stiehlt dem Kind nicht nur einfach Lebenszeit, sondern bringt es auf eine Ebene, die ob ihrer Schlaraffenland-Vordergründigkeit und der Gewöhnung daran kreative lebensbereichernde musikalische Aktivität kaum mehr zulässt oder unsinnig erschwert.

Diese Erzeugnisse verführen in ihrer Beispielwirkung aus oberflächlichem Nachahmen („Schweincheneffekt“) letztlich zur Passivität und nehmen Zeitraum für aktives Selbsttun weg. (Ein wenig Durchblutungstraining für die Stimmbandmuskeln ohne musikalisches Erlebnis ist doch etwas armselig, oder?) Viele alte Volksliedmelodien mit Texten aus entsprechender Zeit, die spielerisch aufzubereiten und zu verinnerlichen wären, sind da unvergleichlich sprühender und kreatives Tun animierend.

Diese CDs beschäftigen, versorgen das Kind allenfalls, haben aber weder etwas mit Erziehung noch mit dem genussreichen Erleben von entdeckungspotenzialgeprägter Musik zu tun.

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