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Gordon Kampe. Foto: Martin Hufner
Gordon Kampe. Foto: Martin Hufner
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Gute Nacht

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Cluster 2021/07 von Gordon Kampe
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Als ich eines Morgens, die Pandemie lag erst wenige Jahre hinter uns, aus unruhigen Träumen erwachte und nach dem obligatorischen Privilegiencheck die Nachrichten las, fand ich die Musikwelt in zwei harmlose Käferchen verwandelt. Sie zappelten gar putzig um die Wette und hatten nicht bemerkt, dass sie längst auf dem Rücken lagen. Was war geschehen?

Weitgehend unbemerkt von der nur noch mit sich selbst beschäftigten Gesellschaft, waren drölfkommazwölf Prozent des Kulturbudgets eingespart worden. Wie sonst, so das landläufige Argument von Finanzminister Lindner, könne man die Kosten für die darbende Tourismus-Industrie auffangen? Ehedem als wagemutig apostrophierte Intendant*innen der immerhin noch 16 deutschen Opernhäuser waren durch sogenannte „Spielplanbots“ ausgetauscht worden, die das aus maximal sechs Repertoirestücken bestehende Programm unter zu Hilfenahme eines komplexen Algorithmus‘ mit den verbliebenen 37 Klassikstars rotierend bestückten. Eine Auslastung von 103 Prozent war längst Pflicht.

Auf der anderen Seite – der vormals Freien Szene – war die Macht auf drei Kurator*innen aufgeteilt worden. Aufträge wurden hier längst nicht mehr nach inhaltlichen Kriterien, sondern nach Akkumulation sogenannter „woke-Punkte“ vergeben. Für je vier „woks“ gab es je 25 Euro Fördermittel. Wie diese zu berechnen waren, wurde durch das zuständige Zentralkomitee unter der Leitung eines dänischen Einhorns namens Luiså quartalsweise festgelegt. Ach, dachte ich da schlaftrunken, dreh‘ ich mich doch lieber nochmal um. Gute Nacht.

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