Warum? Warum um alles in der Welt dieser Wechsel nach 30 Jahren? Man hatte sich doch so daran gewöhnt: zu Silvester am Vorabend wahlweise „Dinner for One“ in der ARD, die Berliner Philharmoniker live im ZDF. Das versprach Niveau, wenigstens bis zu den Abendnachrichten. Und nun die Wende: die Philis haben mit dem Zweiten gebrochen, so erfuhr man, mit dem Ersten hört man besser, wurde uns suggeriert. Aber was steckte wirklich dahinter? Da platzte pompös-nachrichtlich die Bombe, wenige Tage vor dem TV-Event: Harald Schmidt werde die Berliner Philharmoniker künftig präsentieren und zum ersten Mal das Silvesterkonzert moderieren. Wieso das denn? Und wer braucht das, wollte man gerade zurückfragen, aber da passierte es bereits am 29. Dezember:
Die Moderation wurde nämlich bei der ersten Voraufführung des Programms aufgezeichnet, denn Harald Schmidt, für den Jahreswechsel längst anderweitig verpflichtet, kann schließlich nicht überall gleichzeitig sein. Die Chance, es aufgrund der Terminklemme dann eben sein zu lassen, wurde vertan, zumal Silvester 2009 auf einen Donnerstag fiel und Donnerstag ist in der ARD nun mal H.S.-Tag. Und wer weiß, so sprach man sich Hoffnung zu: Kann sich der Superstar doch noch steigern? Lässt er sich vom „genius loci“ der Berliner Philharmonie ein ganz klein wenig nachhaltiger inspirieren als bei der Übertragung des Salzburger „Figaro“ vor Jahr und Tag? Oder hat ihm die ARD zur Feier des Tages dieser Jungfern-Moderation einen brillanten Ghostwriter spendiert – wenn schon, denn schon? Fragen über Fragen; neugierig ist man ja doch, fast wie auf die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin kurz nach der Konzertübertragung.
Und dann, da wie dort, der gnadenlose Absturz in die Realität, nur wird die ARD Herrn Schmidt mehr bezahlt haben als Frau Merkel, die Zuschauer und -hörer haben dagegen von H.S. noch weniger (ehrlich!) erhalten als von Angie – eine freundliche Begrüßung, ein paar Worte zum Programm, serviert mit einem Witzchen, auf das sein bekannt maliziöses Lächeln hinweisen sollte, und Tschüß (oder Prosit Neujahr, egal), das war’s schon.
Lässt man – rein gedanklich, versteht sich – die Quoten-Lifter-Funktion des H.S., deren sich Berliner Philharmoniker und ARD in ihrer neuen Wunschkoalition bedienen zu müssen meinen, außer Acht und wirft die Frage nach Alternativen auf (freilich unter Umgehung von ähnlich populären Größen wie Mike Krüger, Karl Dall und Oliver Pocher), dann ist völlig unverständlich, dass die Damen und Herren Philharmoniker in den Verhandlungen nicht einen der Ihren zur „conditio sine qua non“ erhoben haben. Einen, aus dessen Mund – sofern der nicht gerade ins Horn bläst – das Publikum schon häufig fetzig-geistreiche, urkomische oder liebenswürdig-augenzwinkernde Moderationen vernommen hat, vor, wenn nicht gar mitten aus dem Orchester, oder auch auf einer Kleinkunstbühne, wobei die künstlerisch Mitwirkenden Gefahr laufen, dass Klaus Wallendorf ihnen mit seinen Zwischentexten beim Publikum die Schau stiehlt. Also der Klaus wär’s doch gewesen, aber nein, (vermeintliche) Popularität vor Qualität, so lautet nun auch bei den Philis die Devise. Schade! Für das nächste Silvesterkonzert, so raunt man bereits in der Herbert-von-Karajan-Straße, soll André Rieu als Konzertmeister verpflichtet werden und auch das Violinkonzert von Brahms spielen. Der Quote zuliebe. Über die an das ZDF zu zahlende Ablösesumme für Rieu wird derzeit verhandelt, so verlautet taktlos aus selten wohlunterrichteten Kreisen.
PS: Abgesehen von der Moderation verlief das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker mit Werken von Rachmaninow und Tschaikowsky ungestört.