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Kultur gleich Wirtschaft gleich Arbeitsplätze! Nein, Sie haben sich nicht verlesen und Sie halten noch immer die nmz in Händen. Wir referieren nur eine Erkenntnis des Präsidenten von Warner Music Central Europe, Gerd Gebhardt. Immerhin konzidierte der einflußreiche und als langjähriger WEA-Geschäftsführer in Deutschland auch beim Bundesverband Phono in wichtige Funktionen eingebundene Plattenmanager unlängst öffentlich, daß es um den Musikunterricht an den Schulen und um die Situation der öffentlichen Musikschulen nicht gut bestellt sei. Recht hat er, und schon frohlockten wir, die wir seit Jahren über diese gefährliche Entwicklung berichten und sie kommentieren, endlich sei in die Chefetagen der großen Plattenfirmen durchgedrungen, daß ihr Geschäftserfolg auch vom Zustand der Kultur, vom Grad der musikalischen Bildung, der Interessiertheit und des Differenzierungsvermögens breiter Bevölkerungschichten abhängt.
Doch zu früh gefreut. Denn die von uns erhoffte Ankündigung, die großen Plattenfirmen hätten beispielsweise beschlossen, ähnlich der GEMA-Stiftung einen Fond einzurichten, aus dem zukunftsweisende Einrichtungen des Musiklebens und - vor allem - der musikalischen Breiten- und Ausbildung gefördert würden, erfolgte nicht. Wir dachten an die „Junge Deutsche Philharmonie“, an „Jugend musiziert“, auch an die „Klassik Komm.“ oder an die kultur-(wirtschafts-)politisch so dringende „Aktion Musik“. Stattdessen machte Gebhardt klar, worum es der Phonoindustrie wirklich geht: Kultur soll dienen, als Etikett, um der Branche einen handfesten pekuniären Vorteil zu verschaffen: Sieben statt fünfzehn Prozent Mehrwertsteuer fordern die kulturbewußten CD-Hersteller.
Hundert Millionen Mark, so Gebhardt, gäben die Major-Companies pro Jahr für die Förderung junger Musiker aus - und damit sei die Branche nicht nur einer der größten Kulturförderer im Lande, nein, sie wirke im großen Stil mäzenatisch. Wir wollen ja nicht kleinlich sein, aber unter Mäzenatentum verstehen wir etwas anderes, als die Marktingetats für neue Girlgroups zu addieren und diese als musikalische Nachwuchsförderung zu bezeichnen. Oder worauf bezogen sich die Millionen? Die von uns genannten Einrichtungen jedenfalls haben bisher noch nichts für ihre kreative und wertvolle Arbeit verbuchen können.
Das wundert nicht, denn Gebhardt fordert Politiker auf, Popstars zu würdigen, anstatt weiterhin der klassischen „Hochkultur“ die Ehre und Subventionen zu erweisen. Er übersieht dabei die Brüche hinter seiner Gleichung: Es gibt Kultur, die ohne substantielle Förderung vor allem auch durch die Wirtschaft, die mit und von ihr lebt, nicht existieren und auch keine Arbeitsplätze bieten kann.