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Im Namen des Deliriums

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Die Ablösung hat längst stattgefunden. Folterten uns die Boulevard Magazine der TV-Sender vor kurzem noch mit Halbwahrheiten und teuer eingekauften, vier Wochen alten Neuigkeiten von George Clooney oder Nicole Kidman aus Hollywood, sind es derweil knallhart recherchierte Sensationsnachrichten aus der internationalen Popbranche, die von Moderatorinnen mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder Facelifting vorgebracht werden. Okay, dass „Quietsche“-Sängerin Yvonne Catterfeld nun Romy Schneider spielen soll, ist erstens keine internationale Popnachricht und zweitens eine ungeheuerliche wie unverzeihliche Geschmacksverirrung. Aber nehmen wir mal Amy Winehouse, die der ramponierten Boulevard-Schiene eine neue Existenzberechtigung gewährte. Die britische Soulsängerin dröhnt sich seit Karrierebeginn herzlos mit Drogen und Alkohol zu. Und zwar in einem Ausmaß, das sogar einem Alkoholiker und Kokser wie Liam Gallagher (Beruf: Oasis-Sänger) oder einem routiniertem Fixer wie Pete Doherty (Beruf: Junkie) der Angstschweiß auf die dehydrierte Stirn tritt. In einem medizinisch nicht erklärbaren, humanitären Kollaps, boten die beiden Samariter der britischen Popszene Amy Winehouse Hilfe an. Schon die Vorstellung einer solchen Dreier-Konferenz gäbe Stoff für fünf ARD-Brennpunkte und einer von RTL- Anchorman Peter Kloeppl moderierten 72-Stunden Nonstop-Nachrichtensendung mit dem rechts oben eingeblendeten Slogan: „Kampf im Delirium“. Aber der Boulevard hat Größeres zu dokumentieren: Winehouse verlässt das Haus, steigt ins Auto, fährt weg, kommt im Club an, steigt aus, betritt den Club, setzt sich, tanzt, wankt aus dem Club, kommt zu Hause an. Dazu gibt es Standbilder des aktuellen Videos (mit Laufleiste und Kauftipp), denn frisches Material kostet Geld und das braucht RTL für Bohlens Popakademie oder PRO 7 für Tanzbär Detlef D! Soost. Da ist es aus der Perspektive des Boulevards nur eine Lappalie, dass Blake Fielder-Civil, der nicht minder abhängige, gerade im Knast sitzende Ehemann von Amy Winehouse, die Autogramme seiner Frau an Zellengenossen verhökert, um sich die Drogen im Londoner Karzer leisten zu können. Da wird sich Herr Zumwinkel eventuell eine andere Art von Beschaffungsmaßnahme überlegen müssen. Und wenn Amy fünf Grammys in den USA abräumt, jene berauscht per Liveschaltung in einem Club entgegen nimmt, schlägt die Stunde des Boulevards. Schließlich hat George W. Bush, einst selbst dem Beelzebub Alkohol verfallen, ihre Einreise untersagt und den nationalen Verteidigungsbereitschaftszustand auf Def Con 1 (alle verfügbaren Truppen werden eingesetzt) „upgegraded“. Nun sind sie vereint: Pop, Politik und Boulevard. Übrigens lautete die letzte Boulevard-Meldung: „Amy Winehouse hilft Britney Spears. Oder war das doch Heidi Klum?

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