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Infames in einer Giftküche zubereitet

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Entgegnung auf einen Leserbrief zu Hans Joachim Moser
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n der nmz 10/1997, Seite 10, benutzt Ihr Leser Günter Hartmann, Lahnstein, einen Leserbrief zu einer Attacke gegen den Musikwissenschaftler Hans Joachim Moser, dem die Auffassung unterstellt wird, er habe Felix Mendelssohn-Bartholdy als „wurzellos, eben jüdisch“ angesehen und an anderen Stellen als ein „blumiger Forscher“ entsprechendes (antijüdisches) „Gift“ herausgesogen und verspritzt. Daß diese infame Unterstellung den strafrechtlichen Tatbestand der Verunglimpfung Verstorbener erfüllen könnte, soll nicht der Gegenstand dieser Erwiderung sein; immerhin ist der Genannte seit 30 Jahren tot und kann sich gegen solche Bösartigkeiten nicht mehr zur Wehr setzen. Aber um der historischen Wahrheit willen muß hervorgehoben werden, daß die behauptete Gegnerschaft Hans Joachim Mosers gegen Mendelssohn eine reine Schimäre darstellt. Im Gegenteil hatte sich Hans Joachim Moser jedem Versuch der Nationalsozialisten, ihn zur Verdrängung jüdischer Komponisten und Künstler, zumal Mendelssohns, aus seinem „Musiklexikon“ zu bewegen, hartnäckig widersetzt und dafür auch Sanktionen erlitten. In seiner 1954 veröffentlichten Autobiographie schreibt er zu diesem Thema (S. 142): „Weshalb ich für die Nazi-Regierung ‚untragbar‘ war, erläutert schon ein Blick in den Mendelssohnartikel meines Musiklexikons von 1932-35, mit Sätzen wie: ‚Niemand hat ihn (Mendelssohn) wärmer bewundert als Schumann, Brahms, Bülow und Reger – das sollte jenen zu denken geben, die einen Mendelssohn heute glauben als Meister minderen Ranges herabsetzen zu dürfen‘.“ Hans Joachim Moser, den Patensohn des jüdischen Geigers Joseph Joachim, heute zum Antisemiten abzustempeln, erscheint genauso grotesk, wie seinerzeit der Versuch der Nationalsozialisten, ihn selbst – der „eigentlich Moses“ geheißen und sich zu „Moser“ hin „arisiert“ habe – zum Juden zu machen, „und zwar nach der Seite der Mutter Mosers hin, die (...) im Aussehen als eine reine Rassejüdin geschildert wird“ (siehe Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich, Reinbek 1966, S. 484). Als Sohn Hans Joachim Mosers erinnere ich mich vieler Gespräche mit meinem Vater über Mendelssohn, dessen Werke er aufs höchste bewunderte, von dem er aber auch wußte (und beklagte), daß diesem schon immer antisemitische Vorurteile entgegengebracht worden seien. Er dachte wie Clara Schumann, die 1894 gegenüber Kritik an Mendelssohn geäußert hatte, „wer so vollendete Sachen geschrieben hätte wie M(endelssohn), könnte nie genug gepriesen werden“ (vgl. Clara Schumann: Mein liebes Julchen, München 1990, S. 262). Dietz-Rüdiger Moser, München

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