Ja, ist es. Und daher möchte ich diesmal über eines der typischsten Missverständnisse bei der Bewerbung für ein Kompositionsstudium sprechen.
Mindestens einmal die Woche bekomme ich Mails von interessierten Studenten, die sich genau wie meine geneigten Leser fragen, was in so einem Kompositionsstudium eigentlich passiert. Diese Bewerber sprechen auch darüber, was sie selbst gerne lernen würden. „Ich möchte klassische Kompositionstechnik studieren“, schreibt zum Beispiel ein Interessent, und meint damit, dass er gerne Symphonien schreiben möchte, die exakt so klingen wie bei Mozart. Im selben Satz schreibt dieser Student, dass er mit „moderner Musik rein gar nichts anfangen kann“ und sehr hofft, dass wir diese schreckliche Verirrung nicht unterrichten. Pech gehabt, genau das tun wir natürlich. Dann kommt ein „huch!“ und man hört nie wieder etwas von diesem Kandidaten.
Genauso häufig sind Anschreiben von zukünftigen DSDS-Bewerbern, die hoffnungsvoll ihre am Casio-Keyboard selbst-„komponierten“ Songs an uns schicken. Manche davon können noch nicht mal Noten lesen, was angesichts unserer recht schweren theoretischen Prüfungen wenig hoffnungsvoll dünkt.
Häufig sind auch die Besuche von so genannten Wunderkindern, meistens in Begleitung ihrer ehrgeizigen Mutter. Hier handelt es sich nach Ansicht ihrer Mütter ausnahmslos um Hochbegabungen, denen zum Ruhm natürlich noch ein Hochschulstudium und am besten noch drei Doktortitel fehlen. Auch bei diesen Genies gibt es – wenn die Mutter sie überhaupt zu Wort kommen lässt – meistens ganz genaue Vorstellungen davon, wie Musik zu sein hat. Tonal und bis zum 19. Jahrhundert = gut. Alles andere = böse. Jazz, Popmusik, David Bowie = ganz, ganz böse. Manchmal fragt man sich, warum es angesichts solcher Borniertheit überhaupt eine Musikgeschichte geben konnte und wir nicht heute noch Musik auf der Knochenflöte machen. Alles andere wäre ja zu avantgardistisch.
Aber ich sollte nicht zu streng mit den Wunderkindern sein. Denn nicht bei allen von ihnen ist klar, ob sie das alles selber so wollen. Meistens ist deren Studium auch eher eine Lifestyleentscheidung ihrer Eltern. Überhaupt: Komponieren als „Lifestyleentscheidung“ („mein Sohn ist ja sooooo kreativ, juchz!“), darüber könnte ich ganze Bücher schreiben.
Es gibt natürlich Ausnahmen, die sowohl jung als auch wirklich begabt sind, gottseidank. Allen anderen möchte ich aber hier Folgendes sagen:
Komposition ist ein Kunst(!)-Studium. Es würde ja auch kein Kunstmaler auf die Idee kommen, an der Akademie der Künste Malen nach Zahlen zu studieren. Gute Kunst zu machen, ist scheißschwer, macht viel Arbeit (Valentin) und ist vor allem eine Lebensaufgabe, die man nicht so als kleines Hobby nebenbei betreiben kann. Man wird mit guter Kunst anecken, verlacht werden, kritisiert werden und muss dennoch ganz unbeirrbar seinen eigenen Weg gehen, auf der Suche nach einer tieferen Wahrheit. Und das Wichtigste ist: Man muss Künstler sein müssen, nicht nur wollen.
Sonst sollte man es bitte lieber lassen.