Manchmal frage ich mich, was für eine Musikzeitung wir eigentlich sein wollen, wenn das Wesentliche nicht auf der Titelseite steht: Die Dresdner Sinfoniker haben „Musikgeschichte“ geschrieben, zumindest laut der Deutschen Presseagentur, denn sie ließen sich „erstmals von einem Roboter dirigieren“. Zehn Tage später trudelt auch noch ein Video von CNN über einen andersartigen Solisten des Malmö Sinfonieorchesters herein: „Watch this cello-playing robot make musical history“.
Ist Musik Geschichte?
Dabei haben die Medien (und auch die Künstler*innen selbst) gar nicht verstanden, was die eigentliche Aussage solcher Projekte ist.
Eine Innovation ist es jedenfalls nicht. Schließlich ist die Praxis, gleichzeitig verschiedene Tempi zu dirigieren, mit der der PR-Stunt offiziell gerechtfertigt wurde, schon seit Charles Ives’ 4. Sinfonie eher Pragmatismus als Innovation.
Nein, die Aussage des Kunstprojekts hat eindeutig auf die Roboternatur in der klassischen Musikszene hinweisen wollen! Schließlich ist ein hartnäckiger Vorwurf von Freien gegenüber Orchestermusiker*innen, dass letztere bloß roboterhaft die Befehle vom Pult umsetzen würden.
Und das ist ja folglich auch, worum es bei Musik geht, wenn Roboter in ihre Geschichtsschreibung eingehen: eine möglichst maschinell-akkurat reproduzierte Interpretation. Oder werden die wirklichen Schlagzeilen vielleicht geschrieben, wenn das Wunder menschlicher Interaktionen in Tonhöhen und Rhythmus auf ein neues Level gebracht wird?
Dann wird es Zeit, selbst in die Musikgeschichtsschreibung einzusteigen. Mir fehlen nur das Know-How und die Finanzen; die Vision von einer neuen Qualität musikalischer Interaktion und der Wille zu diesem historischen Schritt ist da: Neben Robotern auf der Bühne – Roboter im Publikum! Investoren dürfen sich gerne melden: die restliche Musik ist Geschichte.
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