„Hallo liebe Leute, ich schreibe euch heute allen zusammmen ein Mail, weil ich euch allen etwas berichten möchte, was ich erlebt habe...“ Derart harmlos begann die E-Mail, die der Redaktion über eine PR-Agentur am 26. April zugegangen war. Doch was dann geschildert wurde, wühlte auf. Meike, die Verfasserin des Briefes, die aus Furcht vor Gewaltandrohung ihren Nachnamen nicht nennen möchte, berichtete von einem HipHop-Konzert in Wurzen, einer Ortschaft in Sachsen, die in Skinheadkreisen zu den so genannten „national befreiten“ Städten gezählt wird. Was da über rechtsradikalen Terror und Geheimbundmentalität in einer deutschen Kleinstadt zu lesen war, ließ einem den Atem stocken. In der Redaktion wurde sogar die Frage laut, ob man nicht einer besonders gelungenen PR-Aktion aufsitze. Einige Telefonate später war klar: Was da stand, war bis auf ein, zwei Ungenauigkeiten korrekt. Laut Jörn Menge von der Agentur Büro LÄRM hatte Meike die E-Mail nur an einen internen Freundeskreisverteiler gesandt. Doch wie ein Lauffeuer hätte es sich ausgebreitet, so dass mittlerweile einige deutsche Rundfunksender und Zeitungen bei ihm angerufen hätten. Und er gab zu, er freue sich über das unverhoffte Presseecho, versicherte aber gleichzeitig, dass es eine private Aktion von Meike gewesen sei. Die nmz hält das Thema für so wichtig, dass sie Meikes Brief in Auszügen abdruckt.
„Hallo liebe Leute, ich schreibe euch heute allen zusammmen ein Mail, weil ich euch allen etwas berichten möchte, was ich erlebt habe...“ Derart harmlos begann die E-Mail, die der Redaktion über eine PR-Agentur am 26. April zugegangen war. Doch was dann geschildert wurde, wühlte auf. Meike, die Verfasserin des Briefes, die aus Furcht vor Gewaltandrohung ihren Nachnamen nicht nennen möchte, berichtete von einem HipHop-Konzert in Wurzen, einer Ortschaft in Sachsen, die in Skinheadkreisen zu den so genannten „national befreiten“ Städten gezählt wird. Was da über rechtsradikalen Terror und Geheimbundmentalität in einer deutschen Kleinstadt zu lesen war, ließ einem den Atem stocken. In der Redaktion wurde sogar die Frage laut, ob man nicht einer besonders gelungenen PR-Aktion aufsitze. Einige Telefonate später war klar: Was da stand, war bis auf ein, zwei Ungenauigkeiten korrekt. Laut Jörn Menge von der Agentur Büro LÄRM hatte Meike die E-Mail nur an einen internen Freundeskreisverteiler gesandt. Doch wie ein Lauffeuer hätte es sich ausgebreitet, so dass mittlerweile einige deutsche Rundfunksender und Zeitungen bei ihm angerufen hätten. Und er gab zu, er freue sich über das unverhoffte Presseecho, versicherte aber gleichzeitig, dass es eine private Aktion von Meike gewesen sei. Die nmz hält das Thema für so wichtig, dass sie Meikes Brief in Auszügen abdruckt.Der Hintergrund des Briefes ist folgender: Meike ist Tourleiterin im Auftrag von Büro LÄRM und begleitet eine Gruppe von HipHop-Musikern auf einer Tournee durch Neustadt an der Orla, Wurzen, Eberswalde, Dessau und Bad Salzungen, alles Städte in Ostdeutschland, in denen das Problem Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit akut ist. Die Tour ist ein Benefiz-Projekt zugunsten der „Stern“-Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“. Die Erlöse der Konzerte gehen unter anderem an die Amadeu-Antonio-Stiftung.Ich möchte euch hier von unserem Aufenthalt in Wurzen am 21. April 2001 erzählen, weil ich das Gefühl habe, dass viel mehr Menschen darüber informiert werden müssen, was in dieser Stadt abgeht.
Wurzen ist die erste Stadt, die sich „national befreite Zone“ genannt hat, demzufolge gibt es dort auch keine Ausländer. Es gibt keine Dönerbude, es gibt kein italienisches Restaurant. Das einzige China-Restaurant, dass es dort gab, wurde so lange terrorisiert, bis die Inhaber flohen. Die Anfangsbuchstaben vom „Happy House“ (Name des Restaurants) wurden stehen gelassen und stehen heute für „Heil Hitler“. Die Nazis haben dort einen ihrer Treffpunkte eingerichtet, an dem sie so genannte Heimatabende verbringen. Als wir in Wurzen ankamen, war sofort klar, dass wir dort alles andere als willkommen sind. Wir wussten zwar, dass Wurzen mit der härteste Termin auf unserem Plan war, doch was uns dort erwarten sollte, übertraf jede Vorstellung.
Vor Ort organisierte das Konzert eine Gruppe von Antifa-Leuten, die (man kann es gar nicht glauben) in Wurzen und Umgebung wohnen. Diese Menschen sind alle um die 20 Jahre und wollen nicht aus Wurzen wegziehen, da sie sagen, dass sie den Kampf dann endgültig verloren haben.
Unsere Sprüher, die fester Bestandteil der Tour sind, fingen um 14 Uhr an, eine Mauer, die gegenüber des Geländes an einer Strasse lag, zu bemalen. Von Anfang an wurden sie von vorbeifahrenden Nazis bedroht („Heute nacht krieg ich dich. Ich töte euch.“ et cetera). Von der vorher abgesprochenen Polizeistreife zu unserem Schutz war nichts zu sehen. Um zirka 15 Uhr hielten zwei Polizeiautos vor der Mauer. Die Polizisten stiegen aus und verlangten von den Sprühern die Sprüherlaubnis. Reine Schikane, wenn ihr mich fragt, denn logischerweise war die ganze Veranstaltung (also auch das Sprühen) genehmigt und angekündigt. Von Anfang an trat die Polizei sehr unfreundlich und äußerst unkooperativ auf. Einer der Sprüher, der chinesischer Abstammung ist, filmte die ganze Aktion mit seinem Camcorder. Plötzlich nahmen die Polizisten ihn und wiesen ihn an, ihnen ins Polizeiauto zu folgen. Es gab überhaupt keine Erklärung beziehungsweise rechtliche Grundlage zu dieser Aktion. Ich versuchte herauszufinden, was dem Sprüher vorgeworfen wurde, aber schon bald war klar, warum gerade er ausgesucht wurde. Ich bekam keine Antworten auf meine Fragen. Daniel (Sprüher) musste seinen Film löschen und seine Personalien angeben. Dafür gibt es ebenfalls keine rechtliche Grundlage. Reine Schikane! Als mir einer der Polizisten dann sagte, dass der Sprüher dort festgehalten wird, weil er ja erst einmal seinen Namen buchstabieren müsse („Oder können Sie etwa Vietnamesisch?“), war die Situation kurz vor dem Eskalieren. Deshalb und natürlich auch, weil wir die Presse hinter uns haben („Stern“ und „Focus“ waren anwesend), wurde Daniel schließlich wieder frei gelassen. Von da an war klar, dass die Polizei, die uns eigentlich beschützen sollte, nicht wirklich auf unserer Seite steht. Ein Einsatzwagen stellte sich dann eine Zeit lang neben die Mauer, und tat so, als würde er aufpassen. Einer der Polizisten in diesem Auto war der Vater des NPD-Vorsitzenden dieser Stadt. Ein weiteres Beispiel für die Parteiorientierung der Polizei: ein einzelner Nazi geht an zirka 30 Sprühern vorbei und sagt ganz selbstbewusst, dass er heute Nacht alle tötet. Dann geht er um die Ecke und begrüßt die schon erwähnten Polizisten.
Das Konzert verlief reibungslos. Uns wurde so viel Dankbarkeit entgegen gebracht und wir merkten wie in Neustadt, dass es so wichtig ist, etwas für die Menschen zu tun, die gegen diese Nazis kämpfen. Ich habe tiefsten Respekt, vor diesen Leuten, die dort täglich verprügelt oder aus Bussen geschmissen werden und den Kampf trotzdem nicht aufgeben!!!
Als das Konzert zu Ende war und der Großteil des Publikums zu Hause und die Bands im Hotel waren, tauchten plötzlich zirka 50 Glatzen auf dem großen Parkplatz vor dem Konzertgelände auf. Von der Polizei war zunächst nichts zu sehen. Unser Sicherheitschef konnte die Nazis mit seinen Leuten einkesseln und eine Straße hoch„treiben“. Dann tauchte auch die Polizei auf, die sich (mal wieder) äußerst unkooperativ verhielt. Doch nach einem Gespräch des Einsatzleiters mit Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die während der ganzen Tour dabei ist, gaben die Polizisten ein Versprechen, dass sie auf dem Parkplatz blieben, bis alle Beteiligten den Ort verlassen hätten. Immer wieder tauchten Nazis aus der Dunkelheit auf. Im Fünfer-Konvoi fuhren wir (Stiftung, Sprüher, Focus-Fotograf und ich) dann mehr oder weniger fluchtartig mit unserem Sicherheitschef in unser Hotel, dessen Besitzer übrigens einen der NPD-Jugendclubs durch Geldspenden unterstützt. Auf dem Weg bekamen wir dann noch zum Abschied den Hitlergruß. Ich finde es sehr wichtig, dass ich möglichst vielen Menschen mitteile, was in dieser Stadt abgeht. Man glaubt üblicherweise, das sind doch nur so ein paar Vollidioten, die so denken. Man kann sich das aber nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat oder jetzt hört. Es ist wirklich so schlimm. Egal wohin du guckst, es leben dort nur Nazis (bis auf die Handvoll Antifa-Leute). Der Stadtrat, Polizei – egal was – Nazis! Und die, die keine Glatze oder Hitlerfrisur tragen, verschließen die Augen, genau wie vor 60 Jahren.
Auch wenn ich in meinem ganzen Leben noch nie solche Angst vor Menschen gehabt habe, bin ich sehr froh, dass ich diese Tour mitmache. Die Menschen, die dort gegen die Nazis kämpfen, müssen viel mehr unterstützt werden. Ich würde immer wieder bei dieser Aktion mitmachen.
Bei dem Konzert übrigens waren zirka 400 Leute, die richtig gefeiert haben. Denen war es im Prinzip auch total egal, wer auf der Bühne steht. Hauptsache, es wird was für sie getan.
Meike bat die Redaktion um folgende Anmerkung: Der Polizeichef von Wurzen stand von Beginn an auf der Seite der Musiker und versuchte den sicheren Ablauf der Organisation zu gewährleisten. Die ausführenden Polizisten schienen dazu jedoch eine eigene Meinung zu haben.
Links und Kontakte:
www.exit-deutschland.de
www.amadeu-antonio-stiftung.de
www.stern.de
www.udo-lindenberg.de
www.zdk-berlin.de