Nachdem man sich Jahrzehnte, Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang keine Gedanken über die Zukunft der Musikkultur machte, ist man jetzt eifrig im Geschäft um die Zukunft der Oper, des Theaters, der Musikschule, des Musikunterrichts, der Musikindustrie. Die Suche nach dem Musik-Publikum oder des Musikkonsumenten der Zukunft beflügelt die Zunft. Die Katastrophen-Szenarien münden fasst immer in einem Sittengemälde von Silbermeeren, vor denen die Musik der Zukunft sich abspielt. Audience-Development (Hörer-Entwicklung) wird von den tragenden Säulen gefordert, die dabei aber an musikalisch Älteres denken. Doch gilt heute: Das Neue von gestern ist längst das Alte von Vorgestern.
So gestärkt in die Zukunft schielend, verliert man den Blick für die Gegenwart und die dauert länger als die Zukunft, nämlich ewig. Aber die Gegenwart ist schon arg arm dran. Sie ist voller musikalischer Defizite, da hilft auch nicht das Angesicht der Tatsache, dass so viel Musik wie heute, nie war. Denn es handelt sich um keine Frage der Quantität, von dem dann auch die Zukunftsbilder geprägt sind, sondern um eines der Qualität. Da kommen wir genau an den Punkt. Welche Musikspielart ist denn die Gegenwartskunst in Reinform?
Es ist die Volksmusik, die traditionelle Musik; zumindest diejenige in Deutschland, die übrig blieb. Sie umfasst tendenziell und alle Lebensalter und –formen und umfängt sie alle auch emotional. Und wenn man mal in die Runde fragt, welche Musikform am wenigsten Förderung, auch vor allem institutionelle (Hochschulen, Fachhochschulen, Musikschulen) empfängt, so gehört dazu nicht Pop, nicht Jazz, nicht Zeitgenössische Musik oder Alte Kunstmusik, sondern vor allem die Volksmusik, in Deutschland ganz besonders. Nur in München geht das und zwar seit genau 50 Jahren. Andere Länder andere Sitten – und die machen sich weniger Sorgen um die Zukunft der Musikkultur. Drei mal dürfen Sie fragen: Warum? Und man kann an der Volksmusik lernen, welchen Schaden das Audience-Development anrichtet, wenn es zum Ziel hat, ein Publikum der Zukunft zu bilden. Sie wird zum Musikantenstadl. In der Popmusik sind wir da längst angelangt, in der zeitgenössischen Musik auf dem besten Weg in den Kindergarten oder in den Software-Konzern. Der Jazz schwankt noch zwischen Allotria und Cocktailsoße und die Alte Musik ist vom New Age bald aufgesaugt, den Rest nimmt der Holzwurm. Der harte Kern der Volkmusik lamentiert nicht, er macht: Musik.