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Zum Artikel „In anderer Sache“, nmz 7-8/1998, S. 1
Um hinten anzufangen – ganz richtig: „es muß nicht alles amerikanisiert werden“. Aber: Mäzene gibt es in unserer Zeit nicht mehr und „gesittetes Zurücktreten hinter das Objekt seiner Vorliebe“ ist vom Sponsor nicht zu erwarten. Die bunte Logo-Leiste gehört heute nun mal dazu, dagegen ist eigentlich auch nichts einzuwenden. Ärgerlich nur, daß Programmhefte, Plakate und Presseverlautbarungen zur „Thank You America“-Tournee des Bundesjugendorchesters den Eindruck erwecken, das BJO sei eine Erfindung der Deutschen Stiftung Musikleben. Daß der Deutsche Musikrat Träger dieses Orchesters ist, wird verschwiegen.
Nur halb richtig: „Für repräsentative Auftritte im Namen des Staates stehen die hochsubventionierten Berliner oder Münchner Philharmoniker zur Verfügung, samt ihrer Dirigentenprominenz.“ Abgesehen davon, daß der Staat (also das Auswärtige Amt) kaum noch das Geld hat, um diese Orchester zu repräsentativen Gastspielen zu entsenden, bringen die Auslandsauftritte von BJO, Junger Deutscher Philharmonie und den Landesjugendorchestern häufig sehr viel mehr kulturpolitischen Gewinn als die auf elitäres Publikum ausgerichteten kommerziellen Tourneen der Spitzenprofiorchester. Als Beispiel sei nur auf die bewegende gemeinsame Aufführung des Verdi-Requiems in Theresienstadt durch das BJO und tschechische Chöre unter der Leitung von Gerd Albrecht im September 1997 hingewiesen. Auch dazu dient ein Bundesjugendorchester!
Kaum richtig: „Das BJO benötigt keine solche (Dirigier)Prominenz.“ Das BJO braucht sehr wohl prominente, herausragende Dirigenten. Es ist das Verdienst der Musikerinnen und Musiker des BJO, daß ein prominenter Dirigent wie Kurt Masur überhaupt erstmals Kenntnis genommen hat von der Qualität des Nachwuchses und vom künstlerischen Ernst und Rang des BJO. Er war vom BJO begeistert und das BJO von ihm. Was ist daran verkehrt?
Und nun ganz und gar falsch: „Das in einer Arbeitsphase (des BJO) erarbeitete Programm muß anschließend auf einer Tournee möglichst oft wiederholt werden, damit Geld in die schmale Kasse kommt.“ Das BJO finanziert sich nicht durch Konzerteinnahmen (genausowenig wie die hochsubventionierten Berliner und Münchner), sondern wird aus öffentlichen und privaten Mitteln unterhalten. Die Konzerte, insbesondere die im Ausland, bringen kein Geld in die Kasse, sondern müssen weitestgehend subventioniert werden. Aus Mitteln des Auswärtigen Amts unterstützt der Deutsche Musikrat die Auslandsreisen des BJO so gut er kann. Und die Musikerinnen und Musiker genießen diese Reisen und Konzerte! Denn sie wollen sich nicht nur „in das ‚Im-Orchester-Spielen‘ einüben“, sie wollen auch konzertieren – in großen Sälen und unter großen, international bekannten Dirigenten; sie wollen die Erfolge ihrer Mühe verspüren, und sie sind stolz darauf, daß das Publikum sie bewundert, vielleicht mehr als die Berliner und Münchner.
Das sind notwendige und unvergeßliche Erlebnisse! Die Mitglieder (also deren Eltern) zahlen dafür sogar nicht unerhebliche eigene Beiträge und fühlen sich dennoch keineswegs ausgebeutet.