Wer etwas über falsches Kulturverständnis der politischen Klasse erfahren will, muss nach Hamburg blicken. Ein bizarres Lehrbeispiel liefert dort der CDU/Schill-Senat, dessen Kultursenatorin Dana Horaková in Zeiten der knappen Kassen das Füllhorn über den „Kitschkünstler” Jeff Koons ausschüttet. Grund: Der verödete Mittelstreifen auf der Reeperbahn im von der Politik seit Jahren vernachlässigten Problem- und Traditionsviertel St. Pauli. Dieser Spielbudenplatz soll jetzt vom US-Künstler Koons für satte 4,3 Millionen Euro bis 2004 umgestaltet werden. Koons schlug alle Mitbewerber mit der bahnbrechenden Ankündigung aus dem Feld, er wolle dort „ein Wahrzeichen” bauen. Ein Konzept hat er nicht, braucht er nicht, wollte keiner. Der Senat ist inzwischen von allen guten Geistern verlassen, der Hinweis der Wirtschaftsbehörde an Kulturschaffende der Hansestadt, man habe „leider keinen Haushaltstitel für Konzepte” und könne daher keine künstlerischen Ideen finanzieren, bekommt jetzt neuen Hintersinn. Man darf nicht aus der Stadt sein, mindestens ein Hauch von Hollywood muss her, dann regnet es Millionen. Für nichts! Man kennt es – am Kabinettstisch ist Kultur kein Thema, jeder darf mal ran an die Schießbude, wozu braucht Kultur denn auch Inhalte, Traditionen, Authentizität, Glaubwürdigkeit, echtes Lebensgefühl. Wo nur Kohle zählt, Renommé poliert wird, da ist Kultur eben lediglich die Tapete beim nächsten Event.
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Kohle für Koon
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