„Jeder bekommt was er verdient“, sagt ein altes Sprichwort aus der Zeit, „als das Wünschen noch geholfen hat“. Weder ist letzteres für eine zukunftsfähige Struktur des Deutschen Musikrates ein probates Mittel, noch stimmt Satz 1. Die Welt, komplex wie sie geworden ist, lässt sich nur noch begrenzt mit alten Volksweisheiten und Bauernregeln beurteilen.
Es ist zum Verzweifeln. Diejenigen, die am wenigsten mit den Versäumnissen der Vergangenheit zu tun haben trifft es aufgrund der verfahrenen Lage am ungerechtesten. So wie kurz vor Weihnachten den neuen und jetzt Ex-Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Thomas Rietschel. Zeitgemäß mit den Prinzen kommentiert „kriegt er ´nen Arschtritt als Dankeschön“. Die Begründung für seine fristlose Kündigung, zumindest so weit sie öffentlich wurde, ist mehr als fadenscheinig. Wem stand er im Weg? Wem haben seine Konzepte und Vorstellungen über einen reformierten, eigenständigen Musikrat nicht gefallen? Die Präsidiumsmitglieder, die aus Protest gegen seine Entlassung zurückgetreten sind, können es wohl nicht gewesen sein.
Aus dem Büro des Insolvenzverwalters, der wegen seiner Aufgabe nicht gerade zu beneiden ist, sind keine validen Auskünfte zu bekommen. Stand betriebswirtschaftliches Denken gegen verbandspolitisches Denken? Verfolgen die Hauptschuldner des Deutschen Musikrates andere Pläne? Es gibt deutliche Anzeigen dafür, dass die auch direkte Einflussnahme im Vergleich zur Vergangenheit vergrößert werden soll. Die Versäumnisse ehemaliger Präsidien und Generalsekretäre sowie Geschäftsführer sind nicht hinwegzudiskutieren. Allerdings auch nicht jene der Geldgeber. Veränderte und kontrollierte Vergabestrukturen sind zweifellos notwendig. Die Mehrzahl der Projekte allerdings auch. Sie haben die Attraktivität des Deutschen Musikrates in der Vergangenheit ausgemacht. Das Musikleben nachhaltig positiv beeinflusst. Übrigens nicht nur die großen Projekte und Unternehmungen. Auch kleinere, nicht unbedingt massenwirksame und -attraktive. Diese sind anscheinend aktuell am meisten gefährdet. Fallen durch den Sanierungsrost.
Gefährdet ist aber auch eine weitgehend eigenständige, vom Geldgeber in ihren Organisations- und Entscheidungsstrukturen unabhängige Verbandsstruktur des deutschen Musiklebens. Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit dürfen nicht dazu dienen, einen Rumpfmusikrat am öffentlichen Tropf zu generieren. Eine zukunftsfähige Struktur kann nicht verordnet werden. Weder von einem primär betriebswirtschaftlich agierenden Sanierer noch von einem Geldgeber, der anscheinend meint, durch überhöhte Gremien-Dominanz die eigenen Versäumnisse der Vergangenheit vermeiden zu können.
Falsche Privatisierungsstrategien des Staates an anderer Stelle sollten nicht durch verstärkte Dominanz dort konterkariert werden wo es um freie Kulturausübung und –arbeit geht. In einer demokratisch verfassten Gesellschaft liegt diese Aufgabe in erster Linie bei den betroffenen Verbänden. Sie, so darf man hoffen, haben inzwischen ihre Lektion gelernt. Die Generalversammlung des Deutschen Musikrates muss ihrer neuen und bewährten Vertreter für die zukünftige Leitung frei wählen können. Wenn es im ersten Anlauf nicht gelingt, muss man noch ein wenig üben. Soviel Zeit muss sein. Die Kräfte, die einen eigenständigen, kompetenten und handlungsfähigen neuen Musikrat aufbauen wollen verdienen eine Chance.