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Kommunikationswelt. Foto: Hufner
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Kommunikations­probleme

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Absolute Beginners
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Als Komponist fühlt man sich bei einer Orchesterprobe meistens so unerwünscht wie ein Gerichtsvollzieher bei einer Beerdigung. Wobei das thematisch sogar gut passt, denn die alte Weisheit „nur ein toter Komponist ist ein guter Komponist“ wird den meis­ten ausübenden Musikern von ihren oft spießigen und kunstfeindlichen Professoren schon von früh an eingeimpft.

Daher stört man als Komponist allein schon dadurch, dass man etwas erfunden hat und nun dabei ist, wenn andere das einstudieren. Ich kann mich gut an meine erste größere Ensembleprobe als Student erinnern. Zwei Nächte vorher konnte ich schon nicht schlafen, bei der Probe ging ich dann jedem auf den Wecker, weil ich schon beim geringsten falschen Ton zusammenzuckte und absolut jede Ungenauigkeit zu kommentieren versuchte (was natürlich Quatsch ist, wenn alle das zum ersten Mal vom Blatt spielen). Danach nahm mich mein Lehrer Claus Kühnl Gott sei Dank auf die Seite und erklärte mir ruhig, wie man sich Musikern gegenüber zu verhalten hat. Ich danke ihm bis heute.

Und tatsächlich: Die Kommunikation zwischen Komponisten und Musikern ist ein viel zu selten angesprochenes Thema im Kompositionsunterricht. Das liegt daran, dass Komponisten in ihrer Außenseiterrolle gerne zusammenklüngeln und eigentlich fast immer verzweifelt darüber sind, wie ihre Musik realisiert wird.

Es gibt sie natürlich, die faulen, sturen, bockigen oder auch schlicht unverschämten Musiker, aber ich versuche meinen Studenten immer wieder aufs Neue zu vermitteln, dass sie als Komponisten sehr wohl auch selber schuld daran sein können, wenn man sich ihnen gegenüber auf eine bestimmte Weise verhält. Musiker haben nämlich einen gar nicht schlecht ausgeprägten „Bullshit“-Sensor, der gegenüber Dirigenten gnadenlos funktioniert, dasselbe gilt also auch gegenüber Komponisten. Hierbei gibt es bestimmte typische Stolperfallen, mit denen sich Komponisten bei einer falschen Antwort in Sekunden vor dem ganzen Ensemble blamieren können.

Eine dieser typischen Fallen ist, einem Musiker zu einer bestimmten Stelle zu sagen, er könne sie ja „irgendwie“ spielen und es käme nicht auf jeden einzelnen Ton an, sondern mehr auf den „Gesamteffekt“. Absolutes „no go“! Selbst wenn der Komponist faktisch recht hat (nicht nur ein Richard Strauss war dafür bekannt, genial in „Orchesterfarben“ zu denken, sich also nicht nur die Töne vorzustellen, sondern auch wie ein durchschnittlicher Orchestermusiker sie wahrscheinlich spielen wird): Er darf es nicht sagen, sonst ist er sofort unten durch, denn man widerspricht damit dem Grundethos des Musikers.

Ein anderer typischer Fallstrick ist die Benutzung einer außergewöhnlichen Spieltechnik, die man aber dann nicht erklären kann – dumm gelaufen, denn dann steht man sofort als Scharlatan da, der allein Instrumentationshandbücher wälzt ohne irgendeine praktische Ahnung zu haben. Leider ist das tatsächlich sehr oft bei Komponisten der Fall. Generell sollte also ein Komponist in der Lage sein: a) komplizierte Rhythmen seines Stückes allesamt vormachen zu können, b) sein Stück in-und-auswendig im Detail zu kennen und c) den Sinn jedes einzelnen Tons erklären zu können.

Hilfreich ist auch die Vorbereitung einer „motivierenden Ansprache“, die dem Ensemble vermittelt, was man eigentlich mit dem Ganzen wollte. Aber Vorsicht: ist diese Rede zu lang und selbstverliebt, ist man ebenso schnell unten durch, wie wenn man gar nichts zu sagen hat. Das gesunde Maß ist also erstrebenswert, aber dies zu kennen, ist vor allem Erfahrungssache. Zwangsläufig muss ich also immer wieder meine Studenten nach Proben trösten, in denen sich die Musiker mal wieder „unmöglich“ benommen haben. Letztlich rate ich meinen Studenten dann immer: Werdet (oder bleibt) selber ausübende Musiker. Dann wisst ihr ganz genau was los ist. Denn ich bin sicher: Auch in der Schule sind die die besten Lehrer, die selber früher in der letzten Reihe Scheiße gebaut haben.

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