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Moritz Eggert am Klavier. Foto: Hufner
Moritz Eggert am Klavier. Foto: Hufner
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Komponieren ist Handwerk

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Absolute Beginners
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Wie unterrichtet man eigentlich Komposition? Was passiert in einer Kompositionsstunde? Diese Fragen höre ich oft, und erstaunlicherweise auch von meinen Hochschulkollegen, die sich wahrscheinlich fragen, was ihre Kollegen vom Fach Komposition so den ganzen Tag machen. Natürlich hat das damit zu tun, dass Komponieren vor allem ein innerer Prozess ist, den man nicht visualisieren kann.

Den Malereiprofessor stellt man sich in einem großen Atelier vor, umringt von Studenten, die vor Staffeleien stehen und eine hübsche Nackte abmalen. Ab und zu geht der Lehrer dann an eine Leinwand, nimmt einen Pinsel und macht ein paar Retuschen. Natürlich ist das in Wirklichkeit nur sehr selten so, aber so stellen wir es uns vor.

Komponieren dagegen ist ein einsames Geschäft, und man möchte eigentlich ungerne jemanden dabei haben. Es wurde ja immer wieder mal versucht, Komponisten beim Komponieren zu filmen, und ich sage euch aus eigener Erfahrung: es ist immer unecht, es ist immer ein Fake. Wolfgang Rihm, Birke Bertelsmeier und Jörg Widmann – sie alle taten im Film nur so. Wirklich!

Was blieb ihnen auch anderes übrig? Schon ein Igor Strawinsky war dafür bekannt, sich beim Komponieren möglichst weit weg von anderen Menschen zu begeben. Es war ihm unangenehm, wenn ihm jemand beim Akkordesuchen zuhörte. Wie alle Künstler denken nämlich die meisten Komponisten insgeheim, dass sie gar nichts können, und jeder beliebige Kollege viel mehr drauf hat als sie. Umgekehrt denken dies natürlich auch die Kollegen.

Schon mein alter Freund Hans-Ulrich Engelmann sprach davon, dass eigentlich das große Unwissen beim Komponieren die Feder führt, und dass dies eigentlich auch ganz gut sei. Viele kompositorische Entscheidungen sind gänzlich intuitiv (ein Recht, das ein Wolfgang Rihm zum Beispiel immer wieder einfordert, gut so!). Kein echter Komponist denkt zuerst die Analyse und führt diese dann aus, sondern hört zuerst etwas im Kopf und versucht dann mühsam herauszufinden, was zur Hölle das eigentlich genau ist und wie man es genau zum Klingen bringen könnte. Die schlechten Komponisten erkennt man dagegen daran, dass sie sich vor allem auf ihre Methoden verlassen (weil ihnen ohne diese nichts einfällt).

Aber halt: Wer jetzt glaubt, beim Komponieren handelte es sich allein um eine genialische Pfuscherei, der täuscht sich gewaltig. Tatsächlich spielen Handwerk und Erfahrung eine entscheidende Rolle. Man kann innerhalb von Sekunden erkennen - beim Hören wie auch beim Partiturlesen - ob ein Komponist dieses Handwerk hat oder nicht. Daher ist es auch sinnvoll, dass man Komposition studiert.

Mir ging im Unterricht auf jeden Fall noch nie der Gesprächsstoff aus, wenn ich über die Musik meiner Studenten spreche. Wie ist es notiert? Funktioniert das so wie intendiert? Klingt es so wie beabsichtigt? Wie ist die Dramaturgie, die Form? Was will uns das alles sagen?

Dies ist nur eine kleine Auswahl der Fragen, die ich stellen muss. Aber darüber kann ich ja in den kommenden Kolumnen sprechen.

Damit auch Sie wissen, was so ein Kompositionsprofessor eigentlich so den ganzen Tag macht!

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