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Nicht nur Musik im Kopf: C. René Hirschfeld. Foto: www.hirschfeld-music.com
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Komponist C. René Hirschfeld legt nach: Offener Brief an die Kanzlerin zur Finanzkrise

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Der offene Brief des Berliner Komponisten C. René Hirschfeld zur Finanzkrise (nmz Online 03.02.2009) hat zu einer lebhaften Diskussion auf diesen Seiten geführt. Zunächst aufgrund sachlicher Fehler, die Hirschfeld später korrgierte, aber auch grundsätzlich zum Thema zivilgesellschaftlichen Protests. Nun legt Hirschfeld mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin nach:

Offener Brief an die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Frau Dr. Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Doktor Merkel!

Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise wirft viele Fragen auf, nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Bürger dieses Landes, jene Bürger, von denen Sie durch die Wahl das Vertrauen erhalten haben, verbunden mit der Verpflichtung, das Beste zu tun für unser Land, d.h. für die Bürger des Landes.

Als besorgter Bürger habe ich einige Fragen an Sie und bitte Sie, mir diese zu beantworten.

Da die Berichterstattung von Regierung und Medien dergestalt ist, dass man auch bei größtem Bemühen nicht die Möglichkeit hat, vollständig informiert zu sein, schreibe ich Ihnen nach meinem Kenntisstand.

Mein Brief beinhaltet drei Themen:

1. Qimonda
2. Commerzbank


3. Hypo Real Estate

1. Qimonda

Zu Beginn diesen Jahres wurde in einer groß angelegten PR-Aktion verbreitet, Qimonda sei in die Insolvenz gegangen trotz einer Hilfe von 150.000.000 Euro durch den Staat. Von Qimonda selbst erfuhr ich, dass diese Hilfe nie gezahlt wurde. Ich frage mich nun, warum  derartig falsche Informationen verbreitet wurden. Wurde die Hilfe nicht gezahlt, weil die Bürokratie zu langsam war? Dann sollte das Krisenmanagement umgehend und drastisch verändert werden. Wurde die Hilfe nicht gezahlt, weil man davon ausging, Qimonda sei auch damit nicht zu retten? Dann bleibt die Frage nach der Verbreitung falscher Informationen. Wurde die Information verbreitet, um allgemein den Eindruck von Handlungsfähigkeit und gutem Krisenmanagement zu erwecken? Dies hieße, das Volk, in dessen Dienst Sie stehen, bewusst zu belügen.

Von einem Qimonda-Mitarbeiter erhielt ich in einer mail folgende Information:

“Die PR-Aktion der Regierung hat in den betroffenen Mitarbeitern Hoffnungen erweckt, nicht große, weil es sehr auf die künftige Entwicklung angekommen wäre. Dass dann diese eigentlich schon

versprochene Hilfe mit in meinen Augen fadenscheinigen Gründen nicht gewährt wird, trifft einen dann um so härter.

Inzwischen versuchen die Politiker die Schuld des Scheiterns auf Infineon abzuwälzen.

So hat Herr Verheugen behauptet, dass keine Hilfe von der EU gewährt werden kann, wenn die Mutter nicht zur Hilfe bereit ist. Diese Aussage entspricht nicht den Tatsachen, denn 75 Millionen des Hilfspakets sollten von Infineon kommen.

Vielmehr war das Hilfspaket von der Regierung abgelehnt worden, weil sich Finanzlöcher aufgetan haben. Diese Finanzlöcher sollen nach Angabe der Regierung _neue_ Finanzlöcher gewesen sein, gemäß einer

Gegendarstellung des Qimonda-Vorstandes waren das Gelder die nun endlich aus dem Hilfspaket benötigt wurden. Hier steht Wort gegen Wort.

Ursache für das Scheiten des Hilfspakets war aber eine Absage der Regierung und nicht weil Infineon keine Hilfe gewähren wollte.

Leider wird diese fehlerhafte Darstellung in keiner Weise mehr von der Presse aufgenommen. Vielmehr wird dort sogar teilweise weiter behauptet, dass das Hilfspaket angeblich von Infineon/Qimonda abgelehnt wurde.”


Unter diesen Umständen ist nicht nur die unterlassene Hilfe an Qimonda ein Skandal, sondern vor allem eben auch die gezielte Fehlinformation.

Eine weitere Information direkt von Qimonda:

“Die Qimonda-Mitarbeiter in Dresden sind derzeit dabei, eine neue Technologie zu entwickeln, mit der die Firma wieder sehr gut konkurrenzfaehig waere. Die Markteinfuehrung war fuer Sommer geplant.

Was uns nun daran hindert, war eine Finanzierungsluecke von einigen 100 Mio Euro, die vermutlich ab Sommer mit Zinsen und Gewinnen wieder zurueckgezahlt werden haetten koennen.”

 

Sie, Frau Dr. Merkel sind Physikerin. Es sollte Ihnen als solche und vor allem als oberste Volksvertreterin daran gelegen sein, zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien in Deutschland nicht auszubremsen.

Ich bitte Sie um eine Begründung für die Tatsache, dass Qimonda nicht geholfen wurde

und um eine Begründung für die verbreitete Falschinformation.

2. Commerzbank

Die Commerzbank ist – anders als Qimonda – durch drastische Manager-Fehlentscheidungen in Schieflage gekommen. Sie hat mit unsicheren Fonds gehandelt und sich an der Übernahme der Dresdner Bank schwer überhoben. Allerdings ist mir bislang nicht bekannt, dass die Manager dafür zur Verantwortung gezogen würden. Im Gegenteil: der Steuerzahler muss es richten.

"Der staatliche Bankenfonds Soffin gibt der Commerzbank insgesamt 18,2 Mrd. Euro, um den Kauf der Dresdner Bank und weitere Belastungen aus faulen Kreditpapieren abzusichern. Im Gegenzug wird der Bund für zehn Mrd. Euro größter Einzelaktionär der zweitgrößten deutschen Bank mit 25 Prozent plus einer Aktie.” (Die Welt online)

D

ie Regierung gibt Gelder, aber die Gelder gehören Ihnen nicht, sondern uns, den Steuerzahlern!

Wenn nun der Bund (also wir, die Bürger!) größter Einzelaktionär der Commerzbank ist, hat die Regierung das Recht  und die Pflicht,  ihrer Aufsichtsfunktion im Aufsichtsrat nachzukommen.

Von Mitarbeitern im Bundestag habe ich erfahren, das dies nicht stattfindet! Nach meinen Informationen ist bislang niemand bestimmt worden, diese Funktion wahrzunehmen!

Mehr noch: Die Commerzbank verkauft die gleichen unsicheren Fonds, die sie bereits Unsummen an Verlusten gekostet haben, weiter: unter neuen Namen.

Sollte die Regierung inzwischen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen, fordere ich Sie auf, diese Geschäftspraktiken zu unterbinden und bitte Sie, mir und der Öffentlichkeit mitzuteilen, wer dafür verantwortlich ist. Wenn es stimmt, dass der Bund seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommt, bitte ich Sie, dies zu begründen.

3. Hypo Real Estate

“Die Milliardenpakete zur Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) folgen in immer kürzeren Abständen. Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) gewährte dem Konzerne weitere zehn Milliarden Euro Garantien, um sich damit Geld auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Im Januar hatte SoFFin bereits zwölf, im Dezember zehn und im November 20 Milliarden Euro Garantien bereitgestellt. Damit summiert sich der staatliche Garantierahmen für die Hypo Real Estate auf bislang 52 Milliarden Euro.

Zuvor hatten sich im Oktober bereits der Bund und Banken auf Liquitätshilfen von weiteren 50 Milliarden Euro geeinigt, um den Zusammenbruch der HRE zu verhindern. Das damalige Paket setzte sich aus Bürgschaften und Krediten zusammen und war eine Reaktion auf die Probleme der irischen HRE-Tochter Depfa.

Die überwiegend staatlichen Hilfszusagen für den Immobilienfinanzierer belaufen sich damit inzwischen auf insgesamt 102 Milliarden Euro. Der Börsenwert der Hypo Real Estate liegt allerdings mittlerweile bei weniger als 300 Millionen Euro. Seit Wochen laufen vor diesem Hintergrund Gespräche über einen Einstieg des Staates bei dem Konzern.” (Tagesschau.de)

Die Regierung hat also bislang Sicherheiten in Höhe von 52 Milliarden Euro (Geld des Steuerzahlers) an eine Bank gegeben, die sich mit gewagten Spekulationen in die Krise manövriert hat.

Die Tatsache, ein Unternehmen, dessen Börsenwert nur noch bei max. 300 Millionen Euro liegt, mit 52 Milliarden zu stützen kann, wenn überhaupt, nur mit der Angst gerechtfertigt werden, ein eingestandener Bankrott der HRE würde einen Dominoeffekt erzeugen. Ob diese von Regierung und Medien verbreitete Angst berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen. De Facto aber ist es doch so: wenn ich als Privatperson nur Werte von 300 Euro in meinem Haushalt mein Eigen nenne und 5200 Euro benötige, um weiter meinen Lebensunterhalt sichern zu können, bin ich bereits bankrott.

Auch hier meine Frage: werden die Manager, welche die Situation von HRE zu verantworten haben, zur Rechenschaft gezogen? Wenn ja: auf welche Weise?

Des weiteren: Nimmt die Regierung in diesem Falle ihre Aufsichtspflicht bei dem Unternehmen wahr? Wenn ja: durch wen? Wenn nein: warum nicht?

Die gegenwärtige Krise kommt keineswegs wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie ist die logische Konsequenz vieler Jahre einer Politik, die nicht für das Gros der Menschen im Land gemacht wird, sondern für einen kleinen Teil, einer Politik die der Hochfinanz  und Parteiinteressen dient, nicht aber dem durchschnittlichen Bürger. Wenn nun die Regierung wieder Geschenke verteilt, ohne diese an reale Bedingungen zu knüpfen (Commerzbank), an Bedingungen, die auch durchgesetzt und nicht nur benannt werden, mögen damit kurzfristig ein paar Symptome bekämpft werden können und es mag den Anschein erwecken, dies geschehe zum Wohle aller. Die Ursachen aber, werden damit nicht bekämpft und die in den vergangenen Monaten so häufig zitierte Mentalität der Gier unter Managern und Börsianern wird eher gespeist, denn sie ist genau durch diese Art von Politik erst entstanden.

Sie, geehrte Frau Dr. Merkel, haben ebenso wie ich in der DDR selbst erfahren, wie es sich in einem Lande lebt, dessen Politiker nicht dem Volke dienen, sondern anderen Interessen. War es damals die Ideologie und der Kalte Krieg, ist es heute die Hochfinanz, Parteiinteressen und Wahlkampf.

Ich bitte Sie in diesem Brief um eindeutige Antworten zu den angesprochenen Fakten.

Und ich bitte Sie, eines nicht zu vergessen:

Wir sind das Volk.

 

Mit freundlichen Grüßen ,

C. René Hirschfeld

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