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Kulturgefördert

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Mozart hat hier einmal einen Kaffee getrunken und die Stadt für hübscher oder angenehmer empfunden als das am Vortag durchreiste Nürnberg. Die Voraussetzungen für ein Würzburger Mozartfest sind also nicht die besten. Man muß mit wenigem wuchern, mit einer Tasse Kaffee oder mit einer launig ausgesprochenen Meinung. Dennoch gibt es das Würzburger Mozartfest seit der Gründung durch Hermann Zilcher 1921 nun schon bald 80 Jahre. Nur der Nationalsozialismus hatte eine Zwangspause verordnet. Nach dem Krieg wurde die ursprüngliche Programmatik abgeändert, mehr als 40 Jahre wurden allein Werke von Mozart dargeboten. Erst ab 1992 begann sich, unter beträchtlichem Protest mancher Mozartianer, eine neue Programmidee durchzusetzen. Die Musik Mozarts wird an Arbeiten seiner Zeitgenossen gespiegelt, auch andere Kombinationen werden angedacht. Geblieben freilich ist der wunderbare Aufführungsraum, der Kaisersaal der Residenz mit seinen beeindruckenden Tiepolo-Fresken, mit einer zumindest für kleinere Besetzungen erstaunlich klaren und tragenden Akustik. Er ist das Zentrum des Mozartfestes. Das kann derzeit mit einer Folge von 43 Konzerten aufwarten, die sich über eineinhalb Monate erstrecken. Und jetzt sind wir wieder bei der Tasse Kaffe. Denn dieses außerordentlich repräsentative Festival hat mit dem erstaunlich geringen Etat von nur zwei Millionen Mark auszukommen. Davon sind Gagen zu zahlen, vor allem aber auch Reisekosten und Unterkunft der vielen Musiker. Denn mehrere große oder mittelgroße Orchester kommen zum Würzburger Mozartfest. Nun mag man sich fragen, wie viel dieses angesehene, stark besuchte Musikfest, das die Infrastruktur belebt, zahlreiche Touristen anlockt und die Sympathien für Land und Leute fördert, dem bayrischen Staat wert ist. Die Antwort schockiert. Denn es sind gerade einmal 50.000 Mark, also 2,5 Prozent des Gesamtetats. Doch es kommt noch schlimmer: Für die Miete der Säle in der Residenz, die dem bayrischen Staat gehört, zahlt das Mozartfest 100.000 Mark und somit nimmt der bayerische Staat vom Mozartfest unter dem Strich 50.000 Mark ein (das sind zwar nicht 2,5 Prozent seines Gesamtetats, aber immerhin). Das Wort Kulturförderung bekommt einen ganz neuen Beiklang. Denn die Kultur fördert den Staat. Es ist im Grunde eine Frechheit, was man sich hier erlaubt. Die Fürstbischöfe, die die Residenz zwischen 1720 und 1744 erbauen ließen, waren mit dem Geldeintreiben gegenüber ihren Untertanen gewiß nicht zimperlich (diese Zeiten sollen angeblich vorüber sein). Aber sie besaßen offensichtlich Mut und Sinn für kulturelles Wirken: Mut, indem sie den aus Eger stammenden Balthasar Neumann, der zu der Zeit gerade mal ein eigenes Haus entworfen hatte, mit der Planung betrauten, Sinn für Schönheit, indem sie Tiepolo und anderen den Auftrag zur Ausgestaltung gaben. Solcher Mut, solcher Sinn sind heute offensichtlich geschwunden. Mit dem Gierhals-Blick des Staatsbeamten wird nach ausbeutbaren Pfründen Ausschau gehalten, um schnell die immer größer werdenden Löcher zu stopfen. Weitblick ist da nicht. Und so sieht man es gern, daß das Mozartfest 95 Prozent seines Gesamtetats selber deckt, daß es 75 Prozent – eine verblüffende Zahl – aus dem Kartenverkauf erwirtschaftet. Die Kehrseite ist, aber dorthin schaut man amtlicherseits weniger gern, daß sich die Initiatoren gezwungen sehen, stattliche Eintrittspreise zu erheben, vor allem aber, daß der experimentelle Spielraum äußerst eingeschränkt ist. Und dies an einem Ort, wo vor gut einem Vierteljahrtausend auf kühnste Weise experimentiert worden war! Ohne die Weiterführung solchen Muts aber dürfte das Festival mit der Zeit in die Enge kommen. Die Kurzsichtigkeit des Staates verhindert aber ein Erkennen des Problems. Und wir sind uns nicht sicher, ob der Staat dann so ohne weiteres auf seine Förderung durch die Kultur – 50.000 Mark – verzichten kann.

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