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Sven Ferchow. Foto: Selfie
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Ferchows Fenstersturz 2021/12
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Na, schon im Ampelfieber? Ich jedenfalls möchte meinen Beitrag leisten und lebe jetzt nach #cleanlife. Ich gendere (im Wohnbereich verteilte post-its erinnern mich an weibliche Formen, äh Endungen, Bsp. Salzstreuerin), ich bestelle politisch korrekt „Paprikaschnitzel“ und aus Angst vor Sankti­o­nen der Ampel-Regierung vermeide ich geradezu paranoid gastronomische wie sexistische Doppeldeutigkeiten (Cappuccino statt Caffè latte). Gerne möchte ich meine positive Entwicklung an die Musikbranche weitergeben (siehe unten).

Vor allem bezüglich ihres sexistischen Frauenbildes. Es kann nur ein Anfang sein, dass die Rolling Stones ihren Song „Brown Sugar“ streichen. Weil frauenverachtend. Unter uns: Ich dachte wirklich, die singen von dem Zucker, den ich mir als Brandbeschleuniger in meinen Cuba Libre kippe. Aber ich bin auch ein Landkind.

Übrigens, verabschieden Sie sich gleich von der irrigen Annahme, Sexismus sei ein Problem der Popmusik. Verstörend, was meine Recherchen in der heilen Schlager- und Volksmusikwelt ergaben. Wie stehen Sie zu, äh, was halten Sie von den „Dorfrockern“ und ihrem Titel „Die Glöcknerin von Dingolfing“: „Und am Abend kommt sie nach Haus’, und dann holt sie die Glocken raus, und sie spielt mit viel Gefühl, mit ihrem Glockenspiel, und am Sonntag, da wird‘s so richtig nett, da spielt sie mit ihrer Schwester im Duett“. So. Da juckt‘s in der Lederhose. Oder erinnern Sie bitte Henry Valentinos „Im Wagen vor mir“. Und alle haben mitgesungen: „Rada rada radadadada“. Sorry. Mann verfolgt Frau. Motiv: „Sie fährt allein und sie scheint hübsch zu sein“. Die Frau hat Angst („Will der mich kontrollieren oder will der mich entführen“), aber jeder Erwachsene dann grinsend im Refrain: „Rada rada radadadada“. Hier muss übrigens meine Jugend umgeschrieben werden. Ich dachte stets, da wäre Nebel und der Typ fährt der Dame aus Sicherheitsgründen (Nebelschlussleuchte) hinterher. Naja. Landkind … und Mann.

Wobei. Das österreichische Duo Sigrid & Marina verwirrt. Singen sie doch aus Frauenperspektive: „Zweimal nein heißt einmal ja, so ist das bei uns Frau’n...“. Persönlich kenne ich die nicht, aber das klingt echt verzweifelt. Viele Männer können nämlich bis zwei zählen. Noch schlimmer und strafrechtlich relevant (§177 StGB, sexuelle Nötigung) wird es bei G. G. Andersons „Nein heißt ja, wenn man lächelt so wie du“ oder bei Howard Carpendale (§232 StGB, Menschenhandel): „Vom Katalog aus dem Versandhaus, wünsch ich das Mädchen von Seite eins, oh, sie ist so sweet, sie ist so kess, drum schickt sie mir heut‘ per Express“. Abgründe. Und da lassen wir „Mario, host du an Dill do?“ (Die Pagger Buam) jetzt mal als Lausbubenscherz durchgehen. Ich lade Sie ein, ebenfalls nach #cleanlife zu leben. Und ich werbe um Ihre Unterstützung, in einer Kulturarbeitsgruppe der Ampel-Koalition als führendendes Mitglied (Head of Dirt) den sexistischen Saustall der Musikbranche auszumisten zu dürfen. Es geht um unsere Kinder. Herzlichst, Ihr

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