Beim Kompositionsunterricht zeigt sich schnell: Es gibt nicht den einen Künstlertyp. Aber alle Künstler sind speziell.
Komponisten im Besonderen tendieren zu einem gewissen Autismus. Besonders häufig ist der sensible, eher verträumte Typ, der vor lauter Hören nach innen die Welt um sich herum vergisst. Deswegen überrascht es nicht, dass nur ganz wenige Komponisten einen Führerschein haben oder wirklich gerne Auto fahren, sie sind einfach zu abgelenkt von dem, was in ihrem Kopf passiert! Diese Komponisten haben Schwierigkeiten ihre Stücke fertig zu bekommen, weil sie vor allem an ihren Ideen interessiert sind, weniger aber an deren langwieriger Ausführung. Manchmal verliert man dann als Lehrer den Überblick, welche Stücke jetzt alle noch fertig werden müssen.
Dann gibt es die Ehrgeizigen und Karrierebetonten, deren Fragen sich vor allem danach richten, wie man erfolgreich in der Welt der Musikstipendien und Förderungen überleben kann. Wenn diese Fragen überhandnehmen – obwohl grundsätzlich verständlich – fragt man sich, warum sie ausgerechnet einen der finanziell trostlosesten Berufe ergreifen wollen, den es überhaupt gibt. Und da es eigentlich nicht wirklich viel in unserem Metier zu gewinnen gibt außer ein bisschen Freiheit für die eigenen musikalischen Ideen (wenn man Glück hat), sind diese Komponisten sehr oft frustriert, traurig oder gar eifersüchtig.
Dann gibt es die besonders Sorgfältigen: Diese wägen jeden einzelnen Ton so lange ab, dass sie froh sein können, wenn sie ein paar Takte pro Woche schaffen. Diese Genauen legen einerseits eine bewundernswerte Akribie an den Tag, sind aber besonders schwer zu unterrichten, denn was soll man groß über die wenigen Töne sagen, wenn man nie weiß, wie das verdammte Stück eigentlich weitergeht?
Eine Variation dieses Typs sind die Selbstverhinderer, die so selbstkritisch sind, dass sie manchm<al rückwärts komponieren und ihre Stücke so lange wie einen Steinbruch abtragen, bis am Ende gar nichts mehr übrigbleibt.
Dann gibt es noch die Zaudernden, die immer wieder am Sinn ihres Tuns zweifeln. Diese sind nie zufrieden und müssen Woche für Woche aufgebaut werden, wobei die Ideen ausschließlich vom Kompositionslehrer kommen müssen. Jedes Mal ist man glücklich, wenn man im Unterricht wieder einen kleinen Sieg errungen hat. Bis es in der nächsten Woche wieder das neue Problem gibt. Erstaunlicherweise kommen diese Studenten irgendwann auch einmal ohne Lehrer sehr gut zurecht.
Natürlich sind bei all diesen „Typen“ die Grenzen fließend. Die meisten Studenten verkörpern gleich mehrere Archetypen. Und wenn sie Glück haben, zwingt sie das Leben später mal, sich mit jemand anderem als sich selber zu beschäftigen, was meistens sehr heilsam ist.
Extrem selten aber sind diejenigen, die ihre eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen, nie übers Ziel hinausschießen, alle ihre Ideen im Rahmen ihrer Mittel umsetzen und im Umgang verbindlich, zuverlässig, und unkompliziert sind. Vielmehr: Diese gibt es gar nicht, und es wäre sogar äußerst unheimlich, wenn es sie gäbe, denn auch in anderen Berufen gibt es solche Menschen ja nicht.
Aber man muss es so sehen: Wären wir alle perfekt, hätten wir relativ wenig über dieses Leben in unserer Kunst zu erzählen. Denn letztlich handelt diese immer auch von einer Sehnsucht nach dem, was nicht ist.