Am 4. Oktober 1957 startete die Sowjetunion den Erdsatelliten Sputnik. Die eine Hälfte der Menschheit jubelte, die andere verfiel in den Sputnikschock. Amerikas Bildungspolitiker bliesen zur Aufholjagd. Ein Resultat dieser Anstrengungen war die Frühförderung amerikanischer Kinder in der Schule und durchs Bildungsfernsehen. Mit der Sesamstraße beschritt man neue Wege: Man glaubte, mit dem Medium TV ein schichtenunabhängiges Mittel zur Erziehung und Bildung in Händen zu halten. Heute sitzen unsere Kinder im Schnitt 118 Minuten täglich vor dem Bildschirm, die zusätzliche Zeit vor Computer und Spielekonsole ist da noch nicht mit eingerechnet. Zwei Stunden täglich, die ausreichen, so Wissenschaftler der University of Otago in Neuseeland, um spätere Gesundheitsrisiken wie Übergewicht und einen zu hohen Cholesterinspiegel hervorzurufen. Das Fernsehen ersetzt das Familienleben und der bildungspolitische Bankrott ist Tatsache: Von 5 Millionen Arbeitslosen sind 500.000 unter 23. Davon haben 27 Prozent keinen Schulabschluss und 67 Prozent keine Berufsausbildung. Das Ganze vor dem Szenario einer Ökonomie, die noch keine Antwort auf die Herausforderungen durch die Globalisierung gefunden hat.
In Europa hat man sich an die 35 Stunden gewöhnt. Aber wie will man mit den Indern in Bangalore konkurrieren, die bereit sind 35 Stunden am Tag zu arbeiten? Will Deutschland in den internationalen Rankings nicht abgehängt werden, gibt es nur eine Antwort. Bildung, Bildung, Bildung. Die aber ist mehr als Pisa. Der frühere Bundespräsident Johannes Rau drückte das so aus: „Wir brauchen Bildung und Erziehung auch jenseits von Nützlichkeit und Verwertbarkeit.“ Ein Appell vor allem an die Kultureinrichtungen. Sie müssen sich noch stärker in der Pädagogik engagieren. Positive Beispiele dafür gibt es von den Berliner Philharmonikern bis hin zur Musikschule. Dass nun Anfang des Jahres auch die deutschen Phonoverbände „ihren“ Bildungs-Schock erlebten und daher ihr Engagement bei der Förderung der Musikerziehung ausweiten wollen, wie dies der Vorsitzende Michael Haentjes beim Neujahrsempfang der Verbände in Berlin sagte, ist grundsätzlich zu begrüßen. Eine Anmerkung aber sei erlaubt: Ein Abonnement der neuen musikzeitung hätte den Verantwortlichen des Verbandes diese Einsicht allerdings schon vor einem Jahrzehnt vermitteln können.