Nächstes Jahr kann das österreichische Musikinformationszentrum mica seinen zehnten Geburtstag begehen. Was Anlass zur Freude sein könnte, wird jedoch maßgeblich getrübt. Denn wenn die Tendenz der letzten Jahre anhält, wird die Finanzierung 2004 auf ein Maß heruntergefahren, das die Kontinuität der Arbeit nachhaltig gefährdet. Schon 2003 haben Streichungen (samt deren später Bekanntgabe im September des laufenden Jahres) zu Absagen scheinbar abgesicherter Projekte geführt.
Nun sind finanzielle Sparmaßnahmen heute nicht nur in Deutschland an der Tagesordnung. Jedes Mal zu jammern lohnt nicht. Aber das mica hat in den letzten Jahren außerordentlich erfolgreich gearbeitet – auch ökonomisch, was freilich auf dem Gebiet der Kultur, das zum Beispiel über internationale Kompositionsaufträge, Einnahmen der Rechte- und Verwertungsgesellschaften, durch Instrumenten-, Noten- oder CD-Verkäufe, aber auch über Tourismus und manch anderes ein schwer errechenbares Netzwerk herstellt, nicht exakt zu beziffern ist. Man muss deshalb vermuten, dass hinter diesen Schritten nicht nur ökonomische Gründe stecken. Der Stellenwert Neuer Musik wird offensichtlich insgesamt in Frage gestellt.
Hiermit freilich dürfte sich das Land Österreich ein Eigentor schießen. Denn das mica hat weltweit Vorbildfunktion. Nur in wenigen Ländern (vielleicht in einigen Nordeuropas) gibt es so eine flächenweite Abdeckung der schöpferischen Ansätze, eine so klare und genaue Übersicht über Komponisten und Musiker, ihr Wirken, ihre Werke ihre Projekte wie hier. Die umfassende Kompetenz, aber auch die Präsenz des mica (etwa auf internationalen Festivals mit zeitgenössischer Musik) hat zweifelsohne viel zum Stellenwert der gegenwärtigen österreichischen Musik beigetragen, der fraglos ein führender ist (Einladungen und Aufträge in sichtbar großem Umfang sind das Ergebnis). Die österreichische Szene lebt und belebt sich ständig aufs Neue (sie tut es aber keineswegs „von selbst“, sondern ist auf ein beförderndes Umfeld, wie es das mica herstellt, angewiesen), dadurch strahlt sie aus auf Komponisten anderer Länder und trägt führend bei zu einem gedeihenden Fortleben der Kunst, der Musik.
Was das mica betrifft ist es freilich nicht nur die souveräne Verwaltung der Daten, die beispielgebend ist. Hinzu tritt die aktive Verbindung mit dem musikalischen Leben. Über Präsentationen, Konzerte und Diskussionen hat das mica ein Ambiente geschaffen, das die Auseinandersetzung mit Fragen zeitgenössischer Kunst nicht zu einem sterilen Austausch von Insidern verkommen lässt, sondern stets das Anknüpfen an allgemeine, gesellschaftspolitische, soziale, philosophische und andere Fragen sucht mit der Absicht, künstlerisches Tun als komplex vernetztes Wirken verständlich und begreifbar zu machen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der „Stimmung“, und wer einmal das mica im Wiener Bereich Spittelberg besuchte (auch diese Räumlichkeiten sind im Spardruck fatal zur Debatte gestellt), der war gewiss von der Offenheit und Strahlkraft dieses Zentrums stark beeindruckt. Hier wurde und wird nicht allein verwaltet, hier wird aktiv vorgelebt wie kreativer Austausch möglich sein kann.
Hier den Stift anzusetzen, hätte national wie international schwerwiegende Folgen. Es wäre ein Präzedenzfall, das das Beispielgebende des mica in sein Gegenteil verzerren würde.