Die Wellen schlugen hoch am vergangenen Montag, als der Landesrechnungshof, Finanzkontrolleur über die Haushalts- und Wirtschaftsführung Baden-Württembergs, seine 68-seitige „Beratende Äußerung“ zur Zukunft der Musikhochschulen im Südwesten veröffentlichte. In ihrem Papier forderten die Finanzkontrolleure eine Einsparung von insgesamt 5 Millionen Euro jährlich. Bei den fünf Musikhochschulen Baden-Württembergs sollten etwa 20 % der Studienplätze wegfallen, Bachelor- und Masterstudiengänge von aktuell 2500 auf 2000 reduziert werden, aber alle bisherigen 525 Studienplätze für das Lehramt an Gymnasien erhalten bleiben.
Außerdem rieten sie zu Quoten und Gebühren von mindestens 2000 Euro pro Semester für Studierende aus Nicht-EU-Ländern, mit der Begründung, es sei nicht einzusehen, „dass in Deutschland in erheblichem Maße angehende Musiker aus Japan oder China unentgeltlich studieren dürften“. Auch Langzeitstudierende und Absolventen berufsbegleitender Studiengänge sollten demnächst zur Kasse gebeten werden.
Der Rechnungshof plädierte in seinem Papier klar für nivellierende Kürzungen an allen fünf Standorten in Trossingen, Mannheim, Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe und deren Erhalt. Denn alle Musikhochschulen besäßen ein gelungenes Profil, eine effiziente Verwaltung und leisteten einen umfangreichen Beitrag zum regionalen Kulturleben.
Das Papier wurde am Montag dem Landtag und der Landesregierung vorgelegt, und auf seiner Grundlage hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) – nach „ausführlichen Beratungen mit den Musikhochschulen und externen Experten“ – „Überlegungen zur „Weiterentwicklung der Musikhochschullandschaft in Baden-Württemberg“ angestellt. Diese Überlegungen wurden am heutigen Morgen von der Ministerin Theresia Bauer, Staatssekretär Jürgen Walter sowie Hartmut Höll, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Musikhochschulen, der Presse vorgestellt. Von „Marken“ war da inflationär die Rede, von „Leuchttürmen“ und „Qualitätsverbesserung“.
Wichtigste Mitteilung: Das MWK folgt zwar dem Rat, alle fünf Standorte zu erhalten und 500 Studienplätze der Bachelor- und Masterstudiengänge einzusparen, letzteres weil die Musikhochschulen mehr Musiker ausbildeten, als der Markt brauche. Es lehnt aber die nivellierenden Kürzungen kategorisch ab, mit der Begründung, dies würde zu einer nachhaltigen Schädigung der Musikhochschullandschaft Baden-Württembergs führen.
Stattdessen sollen nur noch drei der Standorte als „Voll“-Musikhochschulen erhalten bleiben: Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart, und zwar im bisherigen Umfang. Gespart werden soll dagegen in Mannheim und Trossingen, und zwar massiv: Beide sollen auf ihre Profile reduziert werden: Trossingen auf Elementare Musikpädagogik und Alte Musik, Mannheim auf Jazz, Tanz und Popmusik, wobei die Mannheimer Popakademie in die Hochschule integriert werden soll.
Die Räumlichkeiten und die Verwaltung der Trossinger Musikhochschule soll dagegen für eine landesweite Musikhochschulakademie zur Verfügung gestellt werden, die während der vorlesungsfreien Zeit Kurse und Meisterkurse veranstaltet und während des Semesters als Proben- und Exkursionsort dient. Die Profilbildung soll der landesweiten Bündelung der Ausbildungskapazitäten dienen. Dementsprechend sollen auch Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart weitere Profilbildungen vereinbaren, von denen an diesem Morgen aber nur eine genannt wurde: Der Verzicht auf die Orgelausbildung in Karlsruhe.
Unterm Strich heißt das: Musiklehrer und Orchestermusiker sollen zukünftig nur noch in Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart ausgebildet werden. Das MWK rechnet dadurch langfristig mit Einsparungen von 4 Millionen Euro im Jahr.
Bleibt die Frage, warum gerade Trossingen und Mannheim trotz gleicher Qualität die Opfer bringen müssen. Eine befriedigende Antwort erhielt die Presse nicht. Im Gegenteil: Hartmut Höll, selbst Rektor der Musikhochschule Karlsruhe, kritisierte die Auffassung der Trossinger und Mannheimer Musikhochschulen, an allen Standorten könne ohne Qualitätseinbußen gespart werden, als „unrealistisch und unverantwortlich“. Und er ließ es nicht aus, sich mehrmals sehr herzlich bei der Ministerin zu bedanken, „dass Sie für die Qualität unserer Musikhochschulen einstehen“.
Auf die Frage, wie man zukünftig das qualitative Kulturangebot ersetzen wolle, mit dem etwa die Trossinger Musikhochschule als einzige in einer ländlichen Region diese breitflächig versorge, verwies die Ministerin auf die geplante Musikhochschulakademie. In der internen Sitzung am Montag mit Rektoren, Experten und Vertretern des MWK hatte ein Mitarbeiter des Ministeriums auf dieses Argument noch geantwortet: „Das Ministerium ist nicht für die Bespaßung der ländlichen Region zuständig.“
Die Quotierung von Studienplätzen für „Nicht-EU-Ausländer“ lehnt das MWK übrigens ab. Die Frage nach den Studiengebühren für diese Gruppe Studierender wird noch geprüft.