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25. Oktober: Weltoperntag

25. Oktober: Weltoperntag

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Musikalische Jahrestage (14) – 25. Oktober – Weltoperntag

Vorspann / Teaser

Opern sind die am weitesten ausladenden Werke der Musikgeschichte – großes Orchester, große Besetzung, großes Drama, viel Musik, viel Zeit. Die Geister scheiden sich an der Oper: für die einen ist ein Opernbesuch ein Genuss, für einen anderen eine Qual. Dennoch hat die Oper ihre eigene Faszination, die viele Menschen – wenn sie erst einmal den ersten Schritt gewagt haben – in ihren Bann ziehen kann. Der Weltoperntag darf als eine Art internationaler Sensibilisierungskampagne verstanden werden, „welche die positiven Auswirkungen und den Wert der Oper und der darstellenden Künste im Allgemeinden für die Gesellschaft hervorhebt“.

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Ich höre mich noch sagen: „Ich studiere Musikwissenschaft.“ Damit war meine Beteiligung an diesem Gespräch aber auch schon vorüber. Die ältere Dame, die mich, den jungen Studenten, im Zug von Hamburg nach Nürnberg angesprochen hatte, übernahm das Gespräch und folgerte zunächst einmal messerscharf: „Dann müssen Sie sich ja auch mit Opern auskennen.“ Ohne groß Luft zu holen oder weiter nachzudenken, sprudelte es aus ihr heraus: „Opern können recht schön sein. Mein verstorbener Mann mochte Opern gern – außer denen von Wagner. Die waren ihm immer zu langatmig. Recht hatte er. Dieser Wagner schafft es, aus einem einzigen kurzen Satz eine ganz Arie zu machen.“ Zur Freude der johlenden Mitreisenden improvisierte sie dann singend mit einzelnen Silben, die irgendwann tatsächlich auch einen zusammenhängenden Satz ergaben.

In der Tat sind Richard Wagners Opern von stattlicher Dauer. So beanspruchen etwa sein „Parsifal“ oder seine „Die Meistersinger von Nürnberg“ die Ohren (und Nerven) der Besucher jeweils etwa 5 Stunden. Seine Tetralogie „Der Ring der Nibelungen“ ist auf vier Tage angelegt und dauert zwischen 14 und 15 Stunden. Aber auch andere Komponisten huldigen dem großformatigen musikalischen Drama: Hector Berlioz: „Les Troyens“ – 5 Stunden; Olivier Messiaen: „Saint Françoise d’Assise“ – 4,5 Stunden; Giuseppe Verdi: „Don Carlo“ – 4 Stunden; Giacomo Meyerbeer: „Les Huguenots“ – 4 Stunden. Antonio Cestis‘ Oper „Il pomo d’oro“ soll bei einer Aufführung anläßlich der Hochzeit Kaiser Leopolds I. 1666 in Wien um die acht Stunden gedauert haben. Als wohl längste Oper der Musikgeschichte ist mit rund 29 Stunden Aufführungsdauer der siebenteiligen Licht-Zyklus von Karlheinz Stockhausen zu nennen, der allerdings noch nie im Zusammenhang aufgeführt wurde.

Sven Giese, der Betreiber unserer Patenplattform „Kuriose Feiertage“ (https://www.kuriose-feiertage.de), schreibt zum heutigen Weltoperntag: „Kurzum, hier geht es in der Summe um nicht gerade kleine Gesten, sondern um großes Drama.“ Aber er gesteht auch: „Das muß man allerdings mögen. An mir ist das bisher allerdings komplett vorbeigegangen.“ Er ist aber zuversichtlich: „Aber da ist definitiv noch nicht das letzte Wort gesprochen. Demgegenüber lässt sich der heutige Ehrentag der Oper aber auch zum Anlass nehmen, sich der Materie zu nähern. Zumindest reinhören kann man ja.“

Ein kurzer Blick auf die anderen Jahrestage am heutigen 25. Oktober, die schon fast „wie gewohnt“ keine wirkliche innere Beziehung zum Weltoperntag haben: der „Welt-Lemuren-Tag“, der „Welttag der Pizzabäcker“, der „Internationale Tag der Künstler“, der „Bandana-Tag“ in Australien, der „Weltnudeltag“ (auch: „Weltpastatag“), der „Sourest Day“ (der sauerste Tag des Jahres) in den USA. Wenn man die Länge und Intensität der Opern (s. o.) in Betracht zieht, könnte – rein intuitiv und mit viel Phantasie – eine Beziehung des Weltoperntages zum heutigen „Tag des fetten Essens“ in den USA bestehen – möglicherweise.

Der Weltoperntag geht ursprünglich auf die Initiative dreier Opernorganisationen zurück und wird seit 2019 begangen. Heute wird dieser Tag von zahlreichen Opernverbänden unterstützt und weltweit zelebriert. Das Datum für diese Feiertag wird markiert durch die heutigen Geburtstage zweier renommierter Opernkomponisten: Johann Baptist Strauss (Sohn) (1825-1899) und Georges Bizet (1838-1875). Von ihnen stammen Opern, die auch heutigentags noch oft auf den Spielplänen zu finden sind: „Carmen“ (Bizet), „Die Fledermaus“, „Eine Nacht in Venedig“ und „Der Zigeunerbaron“ (Strauss).

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Der Theatersaal mit seinen 200 handgeschnitzten Barockstühlen im Spiegel der Bühne. © Allee Theater

Der Theatersaal mit seinen 200 handgeschnitzten Barockstühlen im Spiegel der Bühne. © Allee Theater

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„Verdichtung“

Bei derartig langen Aufführungsdauern wundert es also nicht, dass man früher wie heute immer wieder Kürzungen in den Partituren vorgenommen hat. Letztlich müssen sich die Bearbeiter fragen, was eigentlich der Kern dieses Werkes ist. Was wird gebraucht, um den Ablauf der Geschichte zu verstehen, nichts zu verpassen? Welche unwichtigen Nebenstränge kann man eliminieren? Was kann man an der Musik verändern, ohne dass der Personalstil des Komponisten verloren geht? Marius Adam der geschäftsführende Intendant des „Allee Theaters“ in Hamburg bezeichnet diesen Kürzungsvorgang als „Verdichtung“ – „man muss klar auf den Punkt kommen“. Geht man zum Beispiel in eine Aufführung der von ihm inszenierten „Die kleine Zauberflöte“, eine Verdichtung von Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte für Kinder ab 5 Jahren, so ist nach gut 90 Minuten inklusive Pause alles vorbei. Als erstes Urteil – neben vielen anderen positiven Bemerkungen – kann der wahre Mozartkenner in jedem Fall resümieren: Es hat nichts gefehlt!

Das Allee Theater, so wird es auf der Homepage beschrieben, „beheimatet auf einer Bühne zwei Welten“: das „Theater für Kinder“ und die „Hamburger Kammeroper“. Das Theater für Kinder wurde 1968 von dem damals erst 27-jährigen Uwe Deeken gegründet und war das erste private Kindertheater der Bundesrepublik. Die Grundidee war es, junge und jüngste Menschen an das Medium Musiktheater heranzuführen. So zeigt es Adaptionen bekannter Schauspiel- und Opernklassiker für Besucher ab 5 Jahren. Zusätzlich gibt es Musiktheaterstücke für Kinder ab 3 Jahren. Von besonderer Bedeutung sind die unzähligen Schulvorstellungen, die durch vorbereitendes Unterrichtsmaterial, Bühnenführungen und einen „Blick hinter die Kulissen“ begleitet werden, um den Schülern quasi einen Gesamtblick auf das Theatergeschehen zu gewähren.

Grüße aus München

Zum 25-jährigen Jubiläum schrieb August Everding, damals Generalintendant der Bayerischen Staatstheater und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, in einem Brief: „… es ist sehr lobenswert, daß dieses Kindertheater nicht nur ‚Kindertheater‘ macht, sondern auch das ‚Musikalische‘ berücksichtigt. …. Stanislawski hat gesagt: Das Kindertheater muß genauso gut sein wie Erwachsenentheater – nur besser. Kindertheater ist nicht dazu da, künftige Abonnenten fürs Theater heranzuziehen, wohl aber Liebhaber, Amateure des Theaters.“

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Szenenphoto aus „Die kleine Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart – mit wenigen Mitteln entsteht eine große Szene. © Patrick Sobottka

Szenenphoto aus „Die kleine Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart – mit wenigen Mitteln entsteht eine große Szene. © Patrick Sobottka

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Das zweite Haus am Platz

1996 gründete Deeken auch die „Hamburger Kammeroper“ – nach der Staatsoper das zweite Opernhaus in Hamburg – die ihre Heimat im selben Haus fand. Schwerpunktmäßig widmet sie sich dem Musiktheater des 18. und 19. Jahrhunderts. Dabei gilt: Alle Opern werden in deutscher Sprache gespielt, deren Fassungen Barbara Haas anfertigt. Das zweite wichtige Standbein der Hamburger Kammeroper ist die Wiederentdeckung und Rekonstruktion von Opernstoffen. Selten gespielte Werke bekannter Komponisten werden hier (wieder) inszeniert.

Gespielt werden Inszenierungen in längeren Serien und danach wieder abgesetzt. Pro Spielzeit werden in der Regel drei Neuinszenierungen sowie eine konzertante Aufführung gezeigt. Derzeit läuft die Inszenierung von Gaetano Donizettis „Maria Stuart“. Adam erklärt an diesem Stück, was er zum Beispiel bei seiner „Verdichtung“ beachten mußte: Da sind zunächst die Möglichkeiten und daraus resultierenden Vorgaben, die ein kleines – sicher auch in seinen finanziellen Möglichkeiten beschränkten – Privattheater begrenzen. Das Allee Theater hat keinen Chor. Das Orchester wird maximal von sieben Musikern gebildet, die quasi als Solisten arbeiten. Donizetti komponiert einiges an Chorpassagen – diese werden entweder gestrichen, sorgsam in das musikalische Bühnengeschehen eingewoben oder von den Sängern übernommen, die gerade ohnehin auf der Bühne sind. Dann sieht Donizettti viele Wiederholungen in den Arien vor. Diese werden fast ausnahmslos gestrichen, denn Wiederholungen ermüden eher, als dass sie neue Erkenntnisse bringen. Die Frage für Adam ist dabei immer wieder „Was ist wichtig, was muß erhalten werden?“

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Szenenphoto aus „Maria“ von Gaetano Donizetti – alle Kleider und das Bühnenbild werden in eigenen Werkstätten erstellt. © Patrick Sobottka

Szenenphoto aus „Maria“ von Gaetano Donizetti – alle Kleider und das Bühnenbild werden in eigenen Werkstätten erstellt. © Patrick Sobottka

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Das Innenleben

Die Stammbesetzung im Allee Theater ist klein. Die meisten Musiker werden für einzelne Stücke eingekauft – aber eben gern auch immer wieder dieselben. Einen festen Vertrag hat im Theater nur ein einziger Sänger. Für viele Sänger und Sängerinnen war das Allee Theater ein Sprungbrett auf die großen Bühnen der Welt. Auch sie kommen gern an den Ort ihrer ersten Auftritte zurück! Nachwuchsförderung steht bei Adam an einer der ersten Stellen seines Denkens. Die Instrumentalisten kommen aus den Orchestern aus Hamburg und Umgebung. Für sie ist es immer wieder ein großes Erlebnis, nicht Teil eines großen Klangkörpers zu sein, sondern quasi solistisch der oder die Einzige zu sein, die eine Stimme zu spielen und zu verantworten hat. Mit großem Stolz spricht Adam von seiner Theaterwerksatt. Bühnenbild und Kostüme werden für jedes Stück liebevoll neu hergestellt – im eigenen Haus!

Das eigene Haus ist von der Straße aus eher ein wenig unscheinbar und in eine Straßenzeile eingebaut, auch wenn es durch einige bauliche Elemente hervorgehoben ist. Im Inneren ist es ein kuschliges und warmes Haus, das zum Verweilen und auch zum Zu-früh-zur-Vorstellung-Kommen einlädt. Ein kleines Gläschen Wein vor der Vorstellung – das kann man sich hier gut vorstellen. Die Bühne und der Zuschauerraum sind dem barocken Theater nachempfunden. Die Bühne wurde komplett erneuert und ist heute hochmodern und computergesteuert. Sein barockes Ambiente verdankt das Theater vor allem dem ganz in Rot und Gold gehaltenen Zuschauerraum mit seinem in Prag geschnitzten und anschließend vergoldeten Bühnenportal. Hingucker sind die 200 unterschiedlichen durchaus bequemen Barockstühle, die den Zuschauerraum füllen. Da sie (in kleinem Maße) beweglich sind (also nicht aneinandergeschraubt), kann man sich eine sehr bequeme Sitzposition einrichten.

Wenn man nun auf der Homepage liest, dass es Ziel des Theaters ist, „dem Publikum einen anspruchsvollen und unterhaltsamen Abend zu bereiten“, dann ist das so, als wolle man Eulen nach Athen tragen. Im Eingangsbereich gibt es eine bunte Stuhlmischung und eine kleine Bar – der ganze Bereich frisch, offen, bunt, einladend und muddelig. Geht man weiter ins Foyer, findet man dort einen lichten und modern gestalteten Aufenthalts- und Gastronomiebereich aus dem Jahr 1996, dessen wagemutig-gemütliche Architektur international Aufsehen erregt hat. Hier wird für das leibliche Wohl der Zuschauer in den Pausen gesorgt. Zu jeder der Erwachsenenaufführungen gibt es ein jeweils auf das aktuelle Theaterstück abgestimmtes viergängiges Opernmenü. Vor der Aufführung gibt es Suppe und Hauptgang, in der Pause das Dessert und nach der Aufführung einen Käseteller.

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Blick aus dem Garten in das neue Foyer des Allee Theaters – Genuss für Augen und Magen überall. © Allee Theater

Blick aus dem Garten in das neue Foyer des Allee Theaters – Genuss für Augen und Magen überall. © Allee Theater

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Hohe Auszeichnung

Am 4. November dieses Jahres wird das Allee Theater als 8. Preisträger den wahrscheinlich höchsten und begehrtesten Preis für Theater in Hamburg erhalten, den Barbara-Kisseler-Preis, benannt nach der 2016 verstorbenen Hamburger Kultursenatorin. Überreicht wird der Preis von Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der im Vorfeld der Verleihung bereits bemerkte: „Diese Verbindung des ältesten durchgehend spielenden Kindertheaters in Deutschland mit einer Opernbühne ist einzigartig. Das Team um den Intendanten Marius Adam kombiniert Klassiker, neue Werke und auch alte Fundstücke, bereitet diese liebevoll auf und bringt sie mit großer Kreativität und Leidenschaft auf die Bühne.“

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