Soeben ist die Dokumentation des Siemens Musikpreises 1999 bis 2003 erschienen. Darüber freut man sich. Der Titel freilich gibt zu denken. „Der Mut zur Moderne” liest man da und mancher nickt. Denn dieser Jargon ist uns geläufiger denn je.
Überall vernehmen wir, dass wir das Zeitgenössische pflegen müssen, dass wir uns einsetzen müssen für den Fortbestand des Neuen. Als Pflicht eines verantwortungsvollen Geistes wird das wie ein Rezept verschrieben. Wacker rettet man das Neue, um wie ein Gärtner den kulturgesellschaftlichen Bestand für die Zukunft zu erhalten.
Es ist unsere Pflicht, auch wenn man sich dafür sogar vor der breiten Öffentlichkeit entschuldigen muss. Sind wir wirklich schon so weit? Es scheint so. Das Neue wird – natürlich von einer verschwindenden Minderheit und mit der hartnäckigen Entschlossenheit von Green Peace – verteidigt und beschützt wie eine aussterbende Art oder ein der Planierung freigegebenes Biotop. Damit, mit dem Übernehmen des Vokabulars, aber degradiert man sich zur für die rund laufende Demokratie so wichtigen Opposition am Rande.
Es muss sie geben, damit Kahlschlag ohne schlechtes Gewissen vorangetrieben werden kann. Ist das Neue nicht Lust an der Neugier, am anderen Wissen, an frischer Erfahrung? Macht es keinen Spaß mehr? Oder anders gefragt: muss man das Selbstverständliche verteidigen müssen, gar mit Mut? Vielleicht liegt ein Teil gegenwärtiger Enge daran, dass wir die Bastionen offensiven Vorandenkens wie in einem auf die Dauer aussichtslosen Rückzugsgefecht über die Zeit zu retten vorgeben. Früher, als die Raster gegenwärtiger Werte erkämpft wurden, galt jeder, der nichts Neues brachte als überflüssiger Langweiler. Daran sollte sich im Grunde nichts geändert haben. Warum also nicht „Die Lust an der Moderne”?