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Bohlen an die Schulen!?
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Junge Rock/Popbands befinden sich in einem schier aussichtslosen Dilemma. Am meisten mangelt es an Auftrittsmöglichkeiten. Veranstalter lassen Newcomer in der Regel nicht auf ihre Bühnen, weil ihnen diese vermeintlich kein oder wenig Publikum ziehen und dadurch auch keinen Gastroumsatz generieren. Aber ohne Live-Auftritte erlangen die Bands nicht die nötige Routine im Umgang mit Publikum und Konzerttechnik. Und ohne Konzerte können sich die Bands auch nicht das Publikum erspielen, das Veranstalter für Engagements voraussetzen. Ein Teufelskreis – der seit vielen Jahren Auswege bräuchte.

Der Aktion „SchoolJam“ des Deutschen Musikrates hätten sich sehr griffige Ansatzpunkte für eine sinnvolle Konzeption geboten. Man hat diese Chance nicht genutzt! Den Nutzen hat nicht die Breite der Nachwuchsbands! Den Nutzen haben – mal wieder – die Bürokraten. Wollten sie den vielleicht auch haben? Ging es ihnen womöglich gar nicht primär um die jungen Musikerinnen und Musiker? Sind unbedarfte Bands der Transportschlitten für die eigenen Pop-Versäumnisse?

Bezeichnend einige der vom DMR angeführten Referenzen. Jürgen Terhag schrieb: „Mit dem Wettbewerb ,School-Jam’ wird die Musik der unterschiedlichen Jugendszenen in Deutschland zum ersten Mal von der Erwachsenenwelt ernst genommen!“ Sorry, aber das betrifft vielleicht „die Erwachsenenwelt des DMR“. Warum hält man nicht endlich die Nase vor die Tür? Es werden sich nicht viele junge Popmusiker finden, die auf diese Art vom DMR „ernst genommen“ werden wollen.

Andererseits schrieb Thorsten Mewes/„Die Happy“: „Es gibt immer zwei Mög-lichkeiten entdeckt zu werden: Entweder du läufst aus der Disco direkt in die Arme von Dieter Bohlen oder du spielst überall, wo es eine Steckdose gibt“. Hätte der DMR diesen Satz aufmerksam gelesen, dann wäre das Konzept von „SchoolJam“ fast von alleine besser und schlüssiger geworden.

Statt unzählige Steckdosen in der Fläche unter Strom zu setzen und die Bands massenhaft bei zahlreichen dezentralen Festivals dort vor Publikum auf die Bühnen zu stellen, wo sie auch zukünftig ihren ersten regionalen Fankreis finden müssen, wurde wieder ein Wettbewerb gestrickt. Bohlens Fußstapfen – ick hör’ dir trapsen!

Was unterscheidet „SchoolJam“ von „Deutschland sucht den Superstar“? Nicht viel. Allerorten immenses Werbebrimborium, vollmundige Sprüche und – wenig Nachhaltigkeit in den Szenen. 2004 jetzt sechs regionale Vorausscheidungen. Man könnte Fördergelder effizienter einsetzen.
Das Rock.Büro SÜD/ABMI e.V. geht mit seinen bayerischen Projekten an Schulen längst andere Wege hin zu Persönlichkeitsbildung und Selbstfindung durch Popkultur sowie Berufsorientierung oder Bewerbungstraining.

Wir haben schon 1993 (in Klammern die Werte des Jahres 1994) mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern binnen vier Wochen 53 (55) Schülerbandfestivals in 51 (51) Landkreisen durchgeführt – ohne Wettbewerb und ohne Sieger. Auf den Bühnen präsentierten sich 261 (285) Newcomerbands vor 25.000 (30.000) Besuchern. Beworben hatten sich alleine aus Bayern 370 (450) Bands mit einem Durchschnittsalter von 17,25 (17,8) Jahren. Wieviele haben sich eigentlich bei „SchoolJam“ beworben – die Website schweigt stille…?

Neben optimalen Bühnenbedingungen bekam jede Band zudem noch 300 Mark in die Bandkasse, was bedeutet, dass die Bands alleine eine Summe von 78.300 Mark (85.500 Mark) in bar und als symbolische Wertschätzung für die erbrachten Leistungen ausbezahlt bekamen. Alle waren Sieger! Fünf Bands durften bei einem Schlussfestival mit den „Kinks“ („Spider Murphy Gang“) auf die Bühne und bekamen nochmals jeweils 2.000 Mark für eine CD-Produktion. Und es gab durch die Medienpartner Antenne Bayern, „jetzt“ – das Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung –, „Sound Check“ sowie durch rund 400 meist ganzseitige Berichte in den bayerischen Tageszeitungen eine voluminöse PR für die Bands – und natürlich auch den Sponsor, für den die Aktion mit 300.000 beziehungsweise 350.000 Mark überaus billig war. 20 der Gruppen kamen jeweils in beiden Jahren auch noch zusätzlich zu TV-Auftritten beim RTL2-Jugendmagazin „Vampy“. Daraus hätte man bei einem Relaunch von „SchoolJam“ positive Lehren ziehen können…

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