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Nachschlag 2011/01

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Festspielhaus Bonn: Worum geht’s?
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Wird in Bonn ein Beethovenfest eröffnet (was jedes Jahr der Fall ist), hat ein Oberbürgermeister Rederecht. Letzterer heißt (was erst seit zwei Jahren der Fall ist) Jürgen Nimptsch (SPD). Bekannt geworden ist derselbe durch seine „charmanten Ideen“. Die jüngste zielte darauf ab, die Bonner Oper dichtzumachen. So also war man gewappnet in Beethovens Halle, die Nimptsch tatsächlich schon länger zum Abriss freigegeben hatte. Denkmalschutz?

Architekturmonument einer dem Totalitarismus abschwörenden Demokratie? Ach, Kinders! – Nun denn, heuer hatte sich der gutdotierte Dichtmacher, aufgebrezelt wie ein Oberforstmeister, eigentlich besonders Großes vorgenommen. drei Standorte fürs schöne neue Festspielhaus in Vorschlag bringen: Beethovenhalle (siehe oben), Oper (siehe oben) oder südliche Rheinaue (geht ohne Abriss). Problem nur, dass derselbe OB das schöne Projekt schon vor Jahresfrist einvernehmlich mit den Großsponsoren Post, Postbank, Telekom auf Eis gelegt hatte. Zu dramatisch, so damals, die Haushaltslage, zu desaströs die Geschichte um den Bau eines ungeliebten Konferenzzentrums. „Schnee von gestern!“, heißt es heute. Die Sache mit den städtischen Finanzen und dem Zentrum – „Haben wir im Griff!“, lautet die jüngste Botschaft: „Stadtverwaltung und Stadtrat haben gut gearbeitet. Wir werden unsere eigene Stärke bei der Finanz­planung behalten und haben einstimmig den Weg festgelegt, wie wir im Sommer 2013 die Eröffnung des Konferenzzentrums ermöglichen können.“ Großes Raunen im Saal. Nimptsch blieb unbeeindruckt und legte noch eine Schippe drauf, auch wenn ihm vortags mit der Postbank nach der Telekom schon der Zweite seiner drei Geldgeber von der Fahne gelaufen war: „Wenn wir uns 2020, zum 250. Geburtstag unseres größten Sohnes, der Welt nicht als strahlende Beethovenstadt präsentieren, wird Wien das übernehmen – und das Geschäft machen.“ Beifall im Saal. Beim Geschäftemachen, da möchte man sich doch bitteschön nicht von den Wienern die Beethovenbusinesskugel vom Brot rollen lassen. Wenn Geschäfte mit Beethoven – dann machen wir sie! Darum geht es, wenn Bonn über ein Festspielhaus diskutiert. Jürgen Sieger zum Beispiel. Zusammen mit Monika Wulf-Mathies (SPD) vom Verein „Fest.Spiel.Haus. Freunde“ (www.jetzt-schaetzchen.de) klebt der Innungs-Präsident der Bonner Hoteliers und Gastronomen Plakate. „Ja zum Festspielhaus!“ Dem Lokalreporter wird in den Block diktiert: Ein „Festspielhaus der Spitzenklasse“ bedeutet „Aufschwung für den Standort Bonn“! Zahlen gefällig? Wolfgang Grießl, IHK-Präsident für Bonn/Rhein-Sieg, hat selbige aus Salzburg destilliert. „Die dortige Region erwirtschaftet durch ‚Mozart’ 250 Millionen pro Jahr.“

Wären es im Fall von Ludwig van nur 50, wären, so Grießl, „die jährlich fehlenden 3 Millionen für den Betrieb des Festspielhauses aufzufangen“. Was wir brauchen, ist ein „Bilbao-Effekt“ am Rhein. Wenn eine „ehemals düstere Industriestadt“ durch „erstklassige Architektur“ zur „Attraktion“ wird, dann kann auch eine ehemals strahlende, durch einen blöden Bonn-Berlin-Beschluss tief gekränkte Hauptstadt A.D. auch wieder Achtung in der Welt gewinnen. Leider, leider hat man (Industrieschelte an die Adresse der Stadtpolitiker!) die „Marke Beethoven“ verschludert. Deshalb noch einmal durchbuchstabieren das große Mantra der „Umwegrentabilität“: „Alleinstellungs­merkmal“, „Standort“, „Wirtschafts­wachstum“, „Arbeitsplätze“. Wer gelernt hat, „Beethoven“ als „Marke“ auszulesen, muss so reden. 

Eine gespenstische Debatte. Nicht ein Argument weit und breit, das einmal von der Realisierung künstlerischer Projekte ausginge, um von dort zu Halle, Fest und Haus zu gelangen. Etwa so (Vorlage für ein fiktives Nimptsch-Redeskript): „Verehrte Beethoven­freunde, die geplante Aufführung zentraler Orchesterkompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts erfordert ein neues Haus oder – die Denkmalpflege würde mitspielen – die ‚akustische Ertüchtigung’ des Alten. Warum? Weil wir Stockhausens ‚Gruppen‘, Nonos ‚Prometeo‘ dem größten Sohn unserer Stadt schuldig sind!“ – Wer so redet? Niemand und Nimptsch. Pure Fiktion. Deshalb hier ein Vorschlag zur Güte: Ein Jahr lang nur mit Dirigenten, Komponisten, Konzerthauskennern, Festivalinten­dan­t/-innen über Orchestermusik der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reden, sich einig werden, was über eine Neunte hinaus aufzuführen wäre – und dann den Architekten suchen. Die Sponsoren wären im Boot. Wetten, dass!

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