Vor kurzem ging ich mit einem Freund, der nicht gerade als Freund der Klassik angesprochen werden kann, in ein Konzert. Sein Kommentar war, dass die Musik ganz O.K. gewesen sei, dass er aber mit dem Ritual, wie er es bezeichnete, überhaupt nichts anfangen könne. Das Auftreten im Frack, der Drill beim Applaus, wo die Musiker einzeln vom Dirigenten aufgefordert werden, ihren Diener abzuliefern, überhaupt alles Gezwungene hätte er über alle Maßen abstoßend gefunden. Junge Leute, so meinte er, brächte man so kaum ins Konzert, allenfalls die brav Angepassten, die Uniformierten. Und wenn man darauf aufbauen würde, dann könne man alles Innovative sowieso in den Wind schreiben. Ein Konzert sei kein Kirchenbesuch, keine Trauerfeier. Der schleichende Tod sei auf diese Weise vorprogrammiert, wie alles, das in Konvention und Etikette erstarrt ist.
Vor kurzem ging ich mit einem Freund, der nicht gerade als Freund der Klassik angesprochen werden kann, in ein Konzert. Sein Kommentar war, dass die Musik ganz O.K. gewesen sei, dass er aber mit dem Ritual, wie er es bezeichnete, überhaupt nichts anfangen könne. Das Auftreten im Frack, der Drill beim Applaus, wo die Musiker einzeln vom Dirigenten aufgefordert werden, ihren Diener abzuliefern, überhaupt alles Gezwungene hätte er über alle Maßen abstoßend gefunden. Junge Leute, so meinte er, brächte man so kaum ins Konzert, allenfalls die brav Angepassten, die Uniformierten. Und wenn man darauf aufbauen würde, dann könne man alles Innovative sowieso in den Wind schreiben. Ein Konzert sei kein Kirchenbesuch, keine Trauerfeier. Der schleichende Tod sei auf diese Weise vorprogrammiert, wie alles, das in Konvention und Etikette erstarrt ist.Das gab zu denken. Nun mag man einwenden, dass Musik, die emphatisch interpretiert wird, ihr konservatives Ambiente zumindest ins zweite Glied rückt. Eine packende Aufführung im Frack ist besser, als eine lasche in Jeans. Lakonisch mag man auf Erscheinungen wie Nigel Kennedy verweisen, der leger tut, weil er eben nicht besser spielen kann. Und das durchsichtige Leibchen von Vanessa Mae wäre argumentatitv gleich noch hinterherzuschieben. Doch das geschieht bei genauerem Hinsehen doch mit einem schlechten Gewissen. Denn so steht die Alternative nicht. Man erinnert sich an Auftritte etwa des Ensemble Modern oder des Wiener Klangforums, bei denen man spürt, dass das individuell Gekleidet-Sein offenbar auch auf die kommunikativen Strukturen beim Musizieren zurückwirkt. Und bei einem Konzert des Chores des Bayerischen Rundfunks unter Rupert Huber, wo die Sängerinnen jüngst auch ein bunt vielfältiges Äußeres darboten, glaubte man das auch wahrzunehmen – auch die Struktur des Huber-Stücks, das freie, individuell improvisatorische Einwürfe integrierte, deckte sich mit diesem Erscheinungsbild. Musizieren ohne Bekleidungszwang bringt augenscheinlich neue Formen von Freiheit der künstlerischen Äußerung mit ins Spiel.Immer wird heute geklagt, dass den Konzerten mehr und mehr die Jugend fern bleibt. Man schiebt es, gewiss zum Teil zu Recht, auf die immer dürftigere musikalische Ausbildungssituation in den Schulen, auf die permanente mediale Umhüllung mit Klangtapeten, die das Entstehen von Geschmack schon im Ansatz ersticken. Beim zur Zeremonie erstarrten Ablauf eines klassischen Konzerts setzt man hingegen weit weniger an.
Verteidigt wird der Charakter des Festlichen, des Besonderen, der sich eben auch, und sogar ganz besonders in der „anständigen” Kleidung niederschlage. Was aber heißt eigentlich „anständige” Kleidung? Ist es wirklich so vernünftig, wenn ein junger Musiker auf dem Konzertpodium immer so aussehen muss wie ein Konfirmant beim Fototermin? Kann es nicht sein, dass diese jungen Musiker wegen ihres Erscheinungsbildes in ihrer Umgebung belacht und ins Abseits gerückt werden? Dass sie gleich als Sonderlinge, als etwas „Besonderes” im Sinne von Arroganz betrachtet werden? Dass sie sich vielleicht selbst darüber klammheimlich schämen, zu Einzelgängern werden und den Kontakt scheuen? Der aber wäre so nötig, um der Musik den gesellschaftlichen Stellenwert zu verleihen, den sie nicht nur verdient, sondern den sie aus sich heraus auch mitbringt.
Mehr und mehr, so scheint es, wird die klassische Musik heute durch konventionelle Zwänge verstellt. Bis man sie überhaupt nicht mehr hört.