Eine Möglichkeit, sein Image zu ändern, ist es, den Namen zu tauschen. Manchmal kann so etwas zu einer Anmaßung führen, mal zur Ehrlichkeit beitragen – oder beides bewirken. Was bis Ende letzten Jahres noch unter dem Titel „Deutsche Phonoverbände“ firmierte und die großen Plattenfirmen, plus ein wenig unabhängige Tonträgerhersteller, repräsentierte, heißt nun „Bundesverband der deutschen Musikindustrie“. Da will uns aber einer ein U für ein E vormachen. Zur Musikindustrie müsste man eigentlich auch andere Unternehmungen hinzuzählen wie die Konzertveranstalter, die Musikverlage, Musikzeitungen, private Musikschulen und Konzerthäuser, die Instrumentenbauer, Saitenhersteller, Rundfunksender, Bohlen, Raab und „Deutschland sucht den Superstar“, private oder Ein-Mann-Orchester, DJs, Downloadstores … Doch vielleicht wäre so eine Einvernahme gar nicht im Sinne dieser Gruppen. Denn eigentlich klingt auch heute noch „Industrie“ nicht gut. Industrie ist 19. Jahrhundert und heißt Fortschritt, Ausbeutung, Maschine und bedeutet für die „Arbeiter“ respektive Konsumenten „Schraube-im-Getriebe-sein“. Unter dem Stichwort Kulturindustrie hatten Plessner, Horkheimer und Adorno das Phänomen entschlüsselt und erledigt. Aber das war offenbar gestern. Heute ist Industrie das Gute, Fortschritt, Befreiung, Aufklärung, Arbeitsplatz und Inbegriff von Kundenorientierung (Orientierung am Kunden oder Orientierung des Kunden, was soll diese dialektische Erbsenzählerei) in einem.
„Diese“ Musikindustrie hat sich neu aufgestellt. Sie scheint nur noch Musik herzustellen, damit diese dann geklaut werde, um dann den Dieb als eigentliches Ziel der Verwertungskette zu deklarieren. Im letzten Jahr gab es 2.700 Strafanzeigen wegen „Internetpiraterie“ allein in Niedersachsen, meldet der Verband fast schon stolz.
Und mit dem Schaden bietet die Musikindustrie als moderner Fullservice-Verband auch seine Bereinigung an, im School-Tour-Erziehungscamp – denn Erwachsene stehlen natürlich keine Downloads. 1.000 Jugendliche an 50 Schulen haben dieses Musik-Reboot-Camp durchlaufen, darunter auch welche aus der Berliner Rütli-Schule. In diesen Rahmen passt die Personalentscheidung, den Vizepräsident des Deutschen Musikrates, Prof. Hans Bäßler, zum Kuratoriumspräsident der Deutschen Phono-Akademie im Bundesverband der Musikindustrie zu ernennen, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Angeblich sei dies „ein weiterer Schritt des Verbandes, sein Engagement im Bereich der musikalischen Bildung auszubauen,“ liest man dazu im verträumten Newsletter des Deutschen Musikrates. Gratulation, lieber Bundesverband der deutschen Musikindustrie, mit all dem habt ihr uns den nächsten Eisbären aufgebunden.