Ja bist du deppert? Matthias singt. Richtig gelesen. Nicht Schweighöfer, der Schauspieler. Sondern Steiner, der Ex-Gewichtheber und Ex-Österreicher. Mitten in der Orientierungslosigkeit seiner Nachsportkarriere schnappt sich Steiner, der Ex-Olympiasieger, ein Mikrofon statt einer 30-Kilo-Hantelscheibe und fängt unbegründet an zu singen. Eventuell nachdem ihm diese samt Gestänge auf die Birne gefallen ist. Die Scheibe. Natürlich mit dem Totschlagargument, „er habe bereits als Kind Akkordeon und Klavier gelernt“. Aber wohl nicht gekonnt.
Böse Zungen behaupten, er habe als Knirps ständig den Steinway-Flügel der Klavierlehrerin hochgerissen. „Geh heast“, haben sich die Ösis gesagt, „gehst zum Gewichtheben, singa kannst später bei de sDeitschn a no“. Ja, klar. Der Oberförster wird Lehrer. Und sagt: „Es gibt auch zwei Sportlieder auf dem Album“. Aha. Sportlieder. Neue Kategorie. Singt man die über den Sport, zum Sport oder beim Sport? Letzteres wäre dann der Stadionklassiker frei nach Rod Stewarts „Sailing“. Summen Sie ruhig mit: „Ihr seid Schwaben, asoziale Schwaben, ihr schlaft unter Brücken, ihr esst in der Bahnhofsmission“.
Selbstverständlich können Sie, liebe Schwaben, Herkunftsvermutungen jederzeit durch andere Volksstämme oder Stadtbewohner (Bayern, Bremer, Ossis, Ösis) ersetzen. Nun, bei Steiner nennt sich das Sportlied „Heute wern ma’s reiss’n“. Ein Motivationslied, wie er sagt, denn was reimt sich schon auf reiss’n? Stichwort: Morgensport. Aber so Sportler denken freilich über den Tellerrand, hier Hantelrand, hinaus. So philosophiert Steiner auf bild.de: „Hotel Erde“ sei nicht nur ein Lied, sondern ein „Hinweis auf unser kurzes irdisches Dasein in Zwiegespräch mit einer überirdischen Gestalt. Der Sound hat etwas Orientalisches und regt auch etwas zum Nachdenken an.“ Vorsicht, Steiner! Überirdische Gestalt? Nennt sich bei uns in Deutschland Gott. Und Zwiegespräch nennen wir hier Gebet. Und was bedeutet orientalischer Sound? Der regt derzeit auch den BND zum Nachdenken an. Kurze Zündschnur, die die da gerade haben. Doch der BND gibt Entwarnung. Matthias Steiner sei keine ehemalige im Libanon geborene bulgarische Gewichtheberin mit Talg in der Stimme und täglicher Haarentfernung beim Tierarzt. Alles echt quasi. Leider auch die Songs. Da kann man sich auch eine 420-Kilo-Hantel auf beide Füße werfen lassen. Was den Unterhaltungswert betrifft: ein musikalisches Reißen, Stoßen und Stemmen von abgedroschenen Reimen, aufgebügelten Melodien und einem Stimmchen, das man eher dem Schachsport denn dem Gewichtheben unterjubeln möchte. Deswegen wohl der zuckersüße Albumtitel „Zurückgeliebt“. Als würden Kinder spielen und sich beim Antippen der Schulter zurufen „Du bist’s!“. Das Schlimme ist halt: Es wird Deppen geben, die das kaufen. Und dann jammert Campino wieder über „Böhmermann’sches Zeitgeistgelaber“. Während er selbstzufrieden seinen zehnten – irgendwie auch selbst verliehenen – ECHO entgegennimmt.