Body
Ich hätte gerne die Gelegenheit benützt, mit dem Autor, Herrn Dr. Reinhard Schulz, persönlich ein paar Worte zu wechseln, aber leider hatte mir Herr Steinmetz nichts über sein Kommen gesagt. So ergreife ich jetzt noch einmal die Tastatur, um Ihnen ein paar subjektive Anmerkungen zu schreiben: Aufhängen möchte ich meineReaktion an Ihrem Satz vom „etwas überforderten Orchester“. Zuerst: er stimmt. Wenn Sie eine der späteren Vorstellungen besucht hätten, wäre Ihnen dies nicht mehr aufgefallen. Dazu ist eine Ausführung nötig. Die Produktion der Uraufführung wurde mir vor Unterzeichnung meines Vertrages sozusagen als Bedingung übertragen (keiner der anderen Dirigenten wollte – laut Aussage von erfahrenen Orchestermusikern: konnte – die Aufgabe übernehmen). Damals war bereits die Probendisposition fertig – das Werk war disponiert wie eine normale große romantische Oper. Ulm versucht Rekordhalter unter den deutschen Theatern bezüglich des Selbstfinanzierungsanteils zu sein. Das Theater muß spielen, spielen, spielen. Was dahintersteckt, wissen Sie ja selbst. Gespart wird in erster Linie an unseren Gehältern, darüber spricht die Theaterleitung ganz offen (meine Steuerberaterin lacht mich aus mit meinen vielen Jahren Ausbildung, sogar ihre Gehilfin verdient mehr). Wenn dann die nmz (Herr Bachmann) die Hamburger Oper fast mitleidsvoll lobt über das Engagement bezüglich Probenzahl etcetera, so bin ich verhöhnt mit meinem fruchtlosen (gerade mal drei Zusatzproben erhielt ich mit dem Orchester, dafür mußte dem Orchester der Urlaub um fünf Tage verlängert werden) und selbstgefährdenden (der Chefdirigent distanzierte sich vollständig von der Produktion) Einsatz für die Uraufführung. Es war ein Zirkus, das Orchester zum Spiel mit Plektren zu bringen, es wurde mit Gewerkschaft gedroht, ich bekam keine geteilten Proben usw. usw. Herr Zagrosek bestätigte mir auf Anfrage, daß es in Hamburg diesbezüglich keinerlei Fragen gegeben habe. Die Musiker dort haben auch andere Verträge. Deshalb kommt Ihr Satz so an: der junge Dirigent hat ja ganz ordentlich gearbeitet, insgesamt waren aber ja doch alle überfordert. Wir jungen deutschen Dirigenten stehen in den Startlöchern, aber ohne massive Unterstützung sind wir verloren. Schlechter als andere sind wir nicht, dazu habe ich genügend auf Wettbewerben beobachtet. Weniger Erfahrung mit Spitzenorchestern haben wir, weil uns keiner als Assistenten nimmt. Deshalb ging ich ins Ausland. Wieviel ich inzwischen „kann“, konnte ich in den letzten Wochen erleben. Aber Können allein reicht zu nichts. Und Hilferufe wie der von Herrn Jörn Arnecke in der nmz werden von Kollegen aus Italien, Israel, Frankreich etcetera nur belächelt. Unterstützung will doch etwas subtiler stattfinden. Und das sichere Prinzip „wer hat, dem wird gegeben“ (nmz, selbe Nummer über Markus Stenz) will sich die nmz wohl doch nicht ständig zu eigen machen, oder? Vieles von Obigem erscheint Ihnen vielleicht unklar. Das liegt daran, daß ich noch weiter ausholen sollte mit meiner ganzen Geschichte. Vielleicht gibt es ja bei der nächsten Uraufführung Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch. Das wird in Ulm frühestens in 15 Jahren der Fall sein. Ich werde sicher noch auf diesem Sackgassenplatz sitzen und dem Herrgott danken, daß ich als inzwischen gealterter deutscher Kapellmeister in Deutschland kapellmeistern darf. Die Wurst ziehen uns andere vom Brot.