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Nachschlag 2014/09
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BR-Klassik (Kolb) +++ SWR-Orchesterfusion (Koch)

BR-Klassik

Auf seiner Sitzung am 10. Juli 2014 hat der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) den umstrittenen Wellentausch zwischen BR-Klassik und dem BR-Jugendradio „Puls“ genehmigt. Demnach wird die UKW-Frequenz des Klassiksenders ab dem Jahr 2018 dem Jugendsender zur Verfügung gestellt. BR-Klassik wird dann nur noch über Digitalradio (DAB+), Kabel, Satellit und Internet zu empfangen sein. Das Projekt wurde von dem Gremium nach einer kontroversen Diskussion mit Dreiviertelmehrheit genehmigt.

Glücklich über die Entscheidung kann eigentlich niemand sein. Nicht BR-Intendant Ulrich Wilhelm, der mit dem zügig eingeführten UKW-Angebot von „Puls“ einen „drohenden Generationenabriss“ verhindern wollte und jetzt dem Drängen aus dem Klassiklager – nicht nur bayern- und bundesweit, sondern  auch aus dem eigenen Hause – nachgeben muss, wenn auch nur für zwei Jahre. Auch der Tonkünstlerverband Bayern hält „aus der Sicht des Musiklebens die Entscheidung des Rundfunkrates für unbefriedigend“. Er will künftig darauf achten, dass die in der Beschlussvorlage genannten Bedingungen bis 2018 in die Tat umgesetzt sind:

  1. Die Netzabdeckung von DAB+ entspricht der Netzabdeckung von BR-Klassik. Sie wird von einem unabhängigen Gutachten verifiziert.
  2. Der Bayerische Rundfunk leitet eine Informationskampagne ein, deren Ziel es ist, dass möglichst alle BR-Klassik-Hörer über die Umstellung informiert werden und in die Lage versetzt werden, digitales Radioprogramm zu empfangen.
  3. Mit der Autoindustrie wird daran gearbeitet, dass Neuwagen mit digitalen Radios ausgerüstet werden.
  4. Das Programm Puls ist nicht kommerziell und hat einen hohen Wortanteil.
  5. Bayern 2 baut seine Crosspromotion für BR-Klassik aus.
  6. Der Bayerische Rundfunk entwickelt das Konzept zur Positionierung der Hörfunkwellen so weiter, dass mehr Jugendliche Rundfunk hören.

Was aber passiert, wenn diese Bedingungen bis 2018 nicht erfüllt werden, weiß niemand. Intendant Wilhelm ist jedenfalls nicht an einen weiteren Rundfunkratsbeschluss gebunden.

Mit seiner Zustimmung zu dem von ihm als tragfähiger Kompromiss bezeichneten Intendantenpapiers hat der Präsident des Bayerischen Musikrats, Thomas Goppel, die Interessen der über 60.000 Unterzeichner der gemeinsam mit dem Deutschen Komponistenverband und dem Tonkünstlerverband initiierten (und noch bis Ende September laufenden) Petition „BR-Klassik muss bleiben!“ sicher nicht wie versprochen wahrgenommen.

Es gab Stimmen, die daher einen Rücktritt Goppels als Präsident des Bayerischen Musikrats forderten. Dazu zählten u.a. nmz-Herausgeber Theo Geißler, Komponist, Musikrats- und Rundfunkratsmitglied Robert Helmschrott und andere (mehr unter www.nmz.de). Doch sowohl mehrheitlich das BMR-Präsidium als auch weitere Musikverbände wie der DTKV Bayern und der Deutsche Musikrat stärkten Goppel den Rücken.
Andreas Kolb

SWR-Orchesterfusion

Dass anstelle des von Goppel in verquastem Verbandsjargon verbalisierten Kompromiss-Stolzes eher Skepsis angebracht wäre, zeigt ein Blick in den Südwesten. Dort hat Ulrich Wilhelms Intendanzkollege vom SWR vorgemacht, wie man sich durchsetzt: Über zwei Jahre lang hat Peter Boudgoust Bedauern darüber geheuchelt, dass an der Fusionierung der beiden Rundfunkorchester aus Stuttgart und Baden-Baden/Freiburg kein Weg vorbeiführe – und hat selbst am eifrigsten dafür gesorgt, dass sämtliche Umfahrungsstraßen schlecht geredet, blockiert und schließlich von der Landkarte eliminiert wurden. Jüngstes Beispiel: Die von ihm ohne Absprache mit dem Freundeskreis einberufene „Geber- und Trägerkonferenz“ für das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg. Wohl wissend, dass dort keine mit dem Scheckheft wedelnden Kommunalpolitiker, Wirtschaftsbosse oder Privatpersonen auftauchen würden, setzte er sie kurz vor der finalen Rundfunkratssitzung am 18. Juli an, bei der dann erwartungsgemäß die Öffnungsklausel aus dem Fusionsbeschluss vom September 2012 gestrichen wurde. Mission doppelte Orchester-Auslöschung: erfüllt. Die Streiter für einen möglichst langen UKW-Verbleib von BR-Klassik sollten also gewarnt sein: Allzu schnell könnten sie bei der Überwachung der sechs Kompromiss-Kriterien im Nirwana von Ermessensspielräumen verschwinden. In guter Gesellschaft mit digital sich versendenden Produktionen und Konzertübertragungen bayerischer Rundfunkklangkörper…
Juan Martin Koch

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