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Plädoyer für eine niveauvolle Diskussion in Sachen MeToo

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Erwiderung auf Moritz Eggerts Kommentar „Dürfen Professoren alles ?“, nmz 7-8/2022. S. 5
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„Dürfen Journalisten alles ?“ – Das wäre eigentlich die angemessene Headline für eine Replik auf den Beitrag von Moritz Eggert zum Ergebnis des Disziplinarverfahrens gegen den ehemaligen Kompositionsprofessor der Münchner Musikhochschule Hans-Jürgen von Bose.

Als Mitglied des Vorstands der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) frage ich: Ist es ein der Sache angemessener journalistischer Stil, immer wieder in subjektivistischen Meinungstexten, noch dazu mit solch bildzeitungsreif pauschalisierenden Headlines, über die sensible MeToo-Thematik an Musikhochschulen zu schreiben, statt mit ausgewogener Berichterstattung eine differenzierte Diskussion zu führen ? Noch dazu von immer wieder demselben Autor, der in unablässigem Bashing des eigenen Arbeitgebers (der HMT München) regelmäßig ungewollt darlegt, wie befangen er letztlich in der Sache ist. Das permanente öffentliche Nachtreten des Autors Eggert gegenüber seiner eigenen Hochschule lässt den Eindruck entstehen, dass hier jemand ein „persönliches Mütchen zu kühlen“ hat.

Damit kein Missverständnis entsteht: Auch für mich sind die recht milden Strafen gegen die Herren Mauser und Bose nur sehr schwer nachvollziehbar. Die Dimensionen von deren unsäglichem Machtmissbrauch sind für uns alle unerträglich. Über angemessene Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen ist seitdem in vielen, ich wage zu sagen: in allen deutschsprachigen Musikhochschulen ein anhaltender, wichtiger Diskurs begonnen worden.

Natürlich darf man in einem freien Rechtsstaat Prozessverläufe und Wirksamkeiten von Urteilen diskutieren und hinterfragen. Jedoch muss dies an der richtigen Stelle erfolgen (hier vielleicht bei Ansprechpartnern aus der bayrischen Politik und Justiz, zum Beispiel mit der für das Verfahren zuständigen Landesanwaltschaft Bayern) und vor allem gut informiert: Disziplinarverfahren, die in Bayern nicht von Hochschulen, sondern von anderen Rechtsbehörden geführt werden, lassen nur schmale rechtliche Spielräume zu. Insbesondere bei Sanktionierungen von Ruhestandsbeamten gibt es leider kaum Zwischenstufen vor der – durchs Beamtenrecht stark erschwerten – völligen Aberkennung des Ruhestandsgehaltes. Eine differenzierte Begleitung und erhellende Diskussion der wichtigen Machtmissbrauchs-Debatte durch die Presse ist willkommen und kann hilfreich sein. Beiträge wie der von Moritz Eggert unter dem Mantel von journalistisch „freieren“ Genres wie Kommentar, Glosse oder Blog tragen dazu rein gar nichts Konstruktives bei: Was für ein Debattenbeitrag ist es, wenn in plumpen Suggestivfragen falsche Zusammenhänge konstruiert (sinngemäß etwa: „Professoren dürfen weiterhin alles, da die Justiz in Bayern hier nicht durchgegriffen hat“) oder sinnfreie Unterstellungen lanciert werden (sinngemäß: „das erstaunlich milde Urteil sorgt dafür, dass unsere Kinder an den Musikhochschulen auch in Zukunft solchem Machtmissbrauch ausgesetzt sind“) ? Und wie hergeholt sind die vom Autor gezogenen Parallelen zum anerkannt hochproblematischen Umgang der Politik vor 40 bis 50 Jahren mit der ehemaligen Sekte „Colonia Dignidad“?!

Die nmz war bei dieser Thematik journalistisch schon mal wesentlich substanzieller unterwegs als mit diesem jüngsten Kommentar und dieser Überschrift. Zum Beispiel mit den wesentlich tiefer fragenden und diskursiv ausleuchtenden Beiträgen von Jelena Rothermel in der Ausgabe 6/2017 oder Antje Kirschning in 6/2018. Hier gälte es anzuknüpfen – oder gar den sachlichen Dialog mit den Musikhochschulen zu suchen – und zu fragen: Was haben diese inzwischen unternommen zur Prävention von Machtmissbrauch an ihren Hochschulen, zur Sensibilisierung des Lehrpersonals beim Thema „Nähe und Distanz in der Lehre“, zur Ermutigung und Erleichterung von Studierenden, latente oder offenkundige sexualisierte Diskriminierungen zu melden?

Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) hat sich in den letzten Jahren intensiv dieser Diskussion gestellt und differenzierte Empfehlungen an ihre 24 Mitgliedshochschulen herausgegeben. Schritte dabei waren: 2016 Einrichtung einer AG zu sexualisierter Diskriminierung und Machtmissbrauch; 2017 Selbstverpflichtung der RKM-Mitgliedshochschulen zu einer kontinuierlichen Umsetzung von präventiven Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Diskriminierung und Gewalt; 2018/19 Erarbeitung einer Handlungsempfehlung „Guter Umgang im Studierenden-Lehrenden-Verhältnis, insbesondere in Lehr- und Prüfungssituationen / Prävention von Machtmissbrauch“; zeitgleich Selbstverpflichtung aller Hochschulen, Richtlinien, Handreichungen oder Flyer gegen Sexualisierte Diskriminierung zu erarbeiten und zu verabschieden, was in den Folgejahren alle 24 deutschen Musikhochschulen umgesetzt haben; 2020 dann durch die oben genannte AG Bereitstellung einer Tool-Box mit präventiven Maßnahmen und Ressourcen zum Schutz vor Diskriminierung, zur individuellen Weiterverarbeitung in den einzelnen Musikhochschulen.

Die einzelnen Musikhochschulen haben viele dieser Empfehlungen umgesetzt – allen voran übrigens die HMT München – und die (Langzeit-)Aufgabe der Sensibilisierung für diese Thematik auf sich genommen. Jelena Rothermel legt in ihrem oben genannten Beitrag sehr anschaulich dar, wie mühsam dieser Aufklärungs- und Sensibilisierungs-Weg für die Musikhochschulen ist. Oft genug hapert es am Desinteresse von Lehrenden wie Studierenden sich mit dieser „unangenehmen“ Thematik zu beschäftigen oder eben am mangelnden Mut von Betroffenen sich zu offenbaren. Hier bemühen sich die allermeisten Hochschulen um die Schaffung einer entsprechend konstruktiven Atmosphäre, unter anderem indem sie unabhängige Ombudspersonen eingesetzt haben, auf die Betroffene zugehen können. Wer solche Prozesse und Diskussionen in der eigenen Musikhochschule begleitet, der weiß, dass es neben aller Bereitstellung von Dialogformaten, Veranstaltungen, Richtlinien und ähnlichem auch auf das persönliche charakterliche Niveau von (vor allem männlichen) Menschen ankommt und deren schonungslose Ehrlichkeit sich selbst und ihrem pädagogischen Verhalten gegenüber.

Die MeToo-Debatte ist eine DER großen in unser heutigen Gesellschaft, die wohl fast jede Branche angeht. Und Sensibilisierung, Aufklärung und Wandel von Verhaltensmustern sind eine mühevolle Arbeit der kleinen Schritte – oft im Verborgenen – und vieler Gespräche und Informationsveranstaltungen. Ich lade Herrn Eggert herzlich dazu ein, sich an diesem ernsthaften Diskurs konstruktiv zu beteiligen.

Prof. Christian Fischer, Vorstandsmitglied der RKM / Rektor der HfM Trossingen


Links:

Dürfen Professoren alles?
Absolute Beginners 2022/07

„Das ist doch nicht so gemeint …“
Über alltäglichen Sexismus an Musikhochschulen

Sensible Fragen in einem besonderen Mikrokosmos
Wie die Musikhochschulen mit dem Thema sexualisierte Gewalt umgehen

 

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