Ein Fachmagazin für Musikwirtschaft will jetzt mit neuen Top 20-Charts dem Wandel in der Musiknutzung angesichts rückläufiger CD-Verkäufe und zunehmender Musik-Downloads Rechnung tragen. Die Top-20 sind eine Liste der meistverkauften Downloads kommerzieller Online-Musikhändler, illegale Downloads via Tauschbörsen à la KaZaA & Co sind naturgemäß nicht in der Wertung enthalten. Wie schmal der Pfad zwischen legal und illegal in diesem Metier inzwischen sein kann, erfuhr kürzlich Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Computermesse CeBIT in Hannover. Dort sollte er die Musikdownloadplattform Phonoline mit dem Herunterladen des Songs „Only If I“ von Kate Ryans eröffnen. Damit wollte Schröder ein Zeichen setzen dafür, „dass die deutsche Politik offen und fördernd für die Weiterentwicklung der digitalen Technik und auch für die Weiterentwicklung der Rechte der Urheber ist“ – ungewollt war er aber in die neue Eiszeit zwischen Phonoverbänden und GEMA geraten, ausgelöst durch die geplante drastische Senkung der Komponisten-Vergütungen um 40 Prozent von Seiten der Phonoindustrie. Einen Tag vor der Veranstaltung hatte GEMA-Vorstand Reinhold Kreile in einem offenen Brief an den Kanzler darauf hingewiesen, dass „derzeit für dieses Downloaden auf der CeBIT noch von keiner Seite die erforderliche urheberrechtliche Lizenz eingeholt wurde.“
Ohne Lizenz zum Download wollte der Kanzler den roten Knopf dann doch lieber nicht drücken. Er wäre zum prominentesten Musikpiraten Deutschlands geworden – pikanterweise im Auftrag der Musikindustrie. Schröder bewies diplomatisches Geschick und überließ es Gerd Gebhardt, Deutsche Phonoverbände, den Knopfdruck zu vollziehen. Ein Interessenskonflikt zwischen Kreativen und Verwertern hatte die Politik zur Zuschauerin gemacht. Bewusstsein vom Wert der Kreativität ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit – nicht nur bei den Endverbrauchern, auch bei den „Profis”.
Mehr auf S.15: „Start für Phonoline“