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An goldenen Großpolitiker-Worten herrscht kein Mangel: „Was sind Musikschulen doch für gute Einrichtungen“ jubelte seinerzeit Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Und Roman Herzog fand kürzlich heraus, daß „beim Musikunterricht und in den Musikschulen die Basis für die musikalische Kultur unseres Landes gelegt wird.“ Innenminister Otto Schily polterte gar: „Wer Musikschulen abschafft, gefährdet die innere Sicherheit.“ Und bis Johannes Rau zu solchem Schall seinen Rauch absondert, wird nicht viel Zeit vergehen.
Mittlerweile freilich befinden sich diese hochgelobten Kultur-Bildungsstätten in einer vielschichtigen Krise. Vielleicht in der schwierigsten Situation seit den knapp 50 Jahren ihres Bestehens. Und die Anfechtungen kommen von vielen Seiten: Da ist – trivial und vordergründig – die Finanznot der Kommunen. Gespart wird zuerst bei den sogenannten freiwilligen Leistungen. Zu ihnen zählt – leider – die musikalische Bildung unserer Kinder. Nicht daß die Schulen auf einen groben Schlag geschlossen würden: Die Methoden der Stadtkämmerer sind feiner. Der Bürger soll schließlich ruhig schlafen. Man erhöht zum Beispiel jährlich den Eigenanteil, den die Musikschulen an ihrem Etat einfahren müssen. So verteuern sich die Unterrichtsgebühren für manche Instrumente von früher vielleicht 70 auf bald 150 Mark im Monat. Die ursprüngliche Idee der Chancengleichheit bei der kulturellen Bildung in unserer Bundesrepublik wird damit ausgelöscht. Das verwundert in einer Gesellschaft, die den Ellenbogen als komfortables Fortbewegungsmittel entdeckt hat, freilich kaum noch jemand.
Und seit die Oberlehrer von RTL, Viva und MTV, von Disney und Bertelsmann das Kinderzimmer als ideale Einstiegszone für ihren wertarmen aber mehrwertstarken Dudelschrott ausspähten, haben es die Musikschulen doppelt schwer. Einerseits wollen sie Qualität vermitteln und qualitätvoll unterrichten. Andrerseits knallt so ein Yamaha-Drum-Pad doch viel cooler als ein Glockenspiel. Und die Backstreet-Boys singen und tanzen so easy. Solches zu glotzen paßt doch besser in unsere Fit-for-Fun-Zeit als Geige üben.
Was tun? Sich anpassen? Oder den Kulturkampf aufnehmen und in Konkurrenz treten? Dazu gehört wieder Geld – und Selbstbewußtsein. Letzteres wird den Lehrerinnen und Lehrern während ihrer Ausbildung an den Hochschulen kaum vermittelt. Dort hätschelt man lieber die Star-Solisten. Den Pädagogen bleibt als charakterliches Studienziel die Anpassungsfähigkeit. So erstaunt es nicht, daß sich viele Musikschulen – unter dem Zwang, einträglicher zu arbeiten, auf pädagogische Kompromisse einlassen: Gruppenunterricht heißt so ein Zauber-Rezept. Was bei Blockflöte und Gitarre vielleicht noch angemessen erscheint, gerät am Klavier oft zur Krücke: Drei oder vier Kinder werden aus Kostengründen gleichzeitig unterrichtet. So wird für die schnelle Mark und ein Lächeln des Stadtkämmerers Substanz preisgegeben: nämlich pädagogische Qualität.
Insofern wirkt der kraftvolle Schritt in die Öffentlichkeit, den der Musikschulverband mit seinem Deutschen Musikschultag unternahm, einerseits vernünftig. Wo Krach und grelle Farben herrschen, hat es ein Streichquartett eben schwer, sich bemerkbar zu machen. Ein Paukenschlag ist angebracht, gern auch mal im Vierviertel-Takt. Andrerseits macht der Ausflug in die populistischen Reviere nur Sinn, wenn der Eigen-Sinn bewahrt bleibt: Und der besteht im Bestreben, Kindern kompromißlos guten Musikunterricht zu erteilen. Aller Finanzakrobatik, allem modischem Hitgeklingel zum Trotz. Das ist die Aufgabe unserer Musikschulen.