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Reihe 9 im Dresdner Kulturpalast. Foto: mku

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Reihe 9 (#16) – Gipfeltreffen

Vorspann / Teaser

Konkurrenz belebt das Geschäft. So lautet eine alte Binsenweisheit, die auch im Bereich der klingenden Muse fraglos ihre Berechtigung hat. Natürlich meine ich damit nicht die x-ten Einspielungen einer gängigen Sinfonie, die im Kulturkaufhaus dicht an dicht gedrängt die Regalmeter füllen: Wo sich wie dort die lebendige Konkurrenz weniger in ein unkuratiertes enzyklopädisches Nebeneinander aller wandelt, kann von künstlerischem Wettstreit keine Rede mehr sein. Selbst der Kenner sieht alsbald den Wald vor lauter Bäumen nicht. 

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Dabei kann der Vergleich von Interpreten und Interpretationen eine wunderbar kurzweilige Schule des Hörens sein. Lassen sich doch Traditionen künstlerischer Gestaltung kennenlernen, im besten Fall sind gar unterschiedliche Ebenen und Ausdrucksmöglichkeiten einer Komposition erfahrbar.

Dass es bei einem hochkarätigen Gipfeltreffen nicht immer gegeneinander gehen muss, zeigten schon zwischen 1990 und 2003 die Drei Tenöre, deren Popularität heute noch in anderen Formationen fortlebt: Sie heißen Seven Irish Tenors, The Ten Tenors oder schlicht die 12 Tenöre – fraglich nur, ob wirklich noch ein wahrer Siegfried unter ihnen ist. Das Dutzend vollgemacht hatten schon lange zuvor die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, die ähnliche Ensembles inspirierten, bis hin zur finnischen Band Apocalyptica und ihrem „Cello Rock“ oder den in Japan veranstalteten Konzerten mit über 1000 Cellisten.

Doch so viel Violoncello wie in diesem Jahr war noch nie. Nicht nur, dass es vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein zum Instrument des Jahres 2018 ausgerufen wurde. Mehr noch findet man in der Vorschau der Dresdner Musikfestspiele eine ganze „Cellomania“. Verstreut auf mehrere Konzerte werden insgesamt 24 Solisten mit ihrem „Edel-Holz“ auftreten und sich im Wechsel unter anderem an Bachs Solo-Sonaten wie auch den fünf Sonaten von Beethoven delektieren. Wo aber wohl das so reiche Solo-Repertoire des 20. Jahrhunderts bleibt, dem vor zwei Jahrzehnten selbst die ehrwürdige und auf Reputation bedachte Deutsche Grammophon gleich drei CDs gewidmet hat? Ist für Reger, Hindemith, Krenek, Kodály, Britten und Berio etwa nur in der „langen Nacht“ ein Plätzchen reserviert – in einem Notturno, für das schon jetzt mit den „schönsten Cellowerken der Solo- und Kammermusik“ verführerisch geworben wird? Ohne sich an den Saitenklängen zu reiben, würde im Dresdner Kulturpalast aus der „Mania“ allzu rasch eine „Apathia“ werden.

Über Reihe 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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