Hauptbild
In einer leichten Kurve angeordnete Stuhlreihen aus Holz mit dunkelgrauem Polster.

Keine Reihe 9, aber neun Plätze im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses Bonn.

Hauptrubrik
Banner Full-Size

Reihe 9 (#38) – Festkultur

Vorspann / Teaser

Was werden heute bloß alles für Feste gefeiert! Schon lange ist die Zeit vorbei, als man auch sprachlich mit dem Begriff vorsichtig(er) umging und umsichtig differenzierte: Noch heute lebt man beispielsweise den Unterschied zwischen dem Weihnachtsfest im Kreise der Familie und der mehr geselligen Weihnachtsfeier im Verein und unter Kollegen. Osterfest und Pfingstfest werden hingegen abgekürzt (ohne „Fest“) und meist sowieso eher als Oster- und Pfingstferien erlebt. Sommerfeste haben schon länger eine Tradition – sie gehen im privaten Kreis über den Anspruch eines Grillabends hinaus, oder die Firma hat zu einem bunten Nachmittag und Abend eingeladen.

Autor
Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Hier kommt man dann auch der Duden-Definition recht nahe: Ein Fest wäre demnach eine „Veranstaltung im privaten oder öffentlichen Umfeld, die einen einmaligen oder sich wiederholenden außeralltäglichen Anlass hat, durch glanzvolle Gestaltung geprägt ist und auch exzessive Handlungen zulässt. Als zeitlich herausgehobene Ereignisse treten Feste in Gegensatz zum geregelten Ablauf des Alltäglichen“. Dem Fest steht sprachlich das Festival gegenüber, das als mehrtägige „kulturelle Großveranstaltung“ beschrieben wird.

So weit, so gut, so schlecht. Denn wer sich einmal genauer darauf einlässt, dem kann ganz schwindelig werden. Da gibt es vielerorts ganze Musikfestwochen (in Winterthur, Berlin oder Wien) oder mehrtägige Musikfeste (etwa in Berlin und Bremen), deren Namen aber schon lange eher als Markenbezeichnung Verwendung finden. Wie anders und bodenständiger lesen sich da die „Tage Alter Musik“ (Herne) oder die „Sommerlichen Musiktage“ (Hitzacker). Oder man denke an das Musikfest schlechthin, das vor allem im frankofonen Sprachraum als „Fête de la musique“ gefeiert wird und bei dem an einem Tag ganze Städte und Landstriche zum Klingen gebracht werden.

So hat es auch noch 2019 das Bonner Beethoven-Haus mit seiner „BTHVN Woche“ zelebriert: zwölf Veranstaltungen und Konzerte an zehn Tagen mit zwei Wochenenden – täglich etwas. Im Jubeljahr aber ticken die Uhren anders, ich möchte fast sagen, sie ticken lauter. Denn aus der Woche wurde unversehens ein ganzes Festival, Verzeihung: ein Fest. Über vier Wochen(enden) verteilt mit nicht weniger als 16 Konzerten unter dem Motto „Beethoven Pur. Beethovens Kammermusik in einem Fest“. Dass im üppigen Programmbuch die sinnfällige Numerierung der Konzerte bei der Eröffnung und dem Abschluss aussetzte: geschenkt. Dass nur Beethoven gespielt wurde: nachvollziehbar. Dass aber (wie es im Vorwort vollmundig heißt) die „komplette Kammermusik“ erklingen würde? Ich habe schon beim Durchblättern nur sehr weniges aus dem Bereich der „WoO“ gefunden. Dass darüber hinaus „Beethovens gesamte Kammermusik nicht auf traditionelle Weise geordnet nach Gattungen und Genres“ wiedergegeben werde: ein sicherlich hehres Unterfangen, das allerdings nicht immer eingelöst wurde. So etwa bei „Beethoven Pur VII“, einem Abend mit Thomas Demenga (Violoncello) und Eunyoo An (Klavier), die spielfreudig, doch ohne fesselnde Tiefenschärfe gleich drei Sonaten und zwei Variationsreihen für ihre Besetzung vortrugen. – Dieser Kammermusikabend war übrigens ein sehr trockener und damit gar nicht so festlich. Einen Pausenausschank gab es nicht. Was hätte da nur der Meister gesagt?

Ihr

Michael Kube

REIHE 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

Artikel auswählen

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!