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Nur Einzelplätze statt voll bestuhlter Reihen im Zeltpalast Merzig. Foto: mku

Nur Einzelplätze statt voll bestuhlter Reihen im Zeltpalast Merzig. Foto: mku

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Reihe 9 (#44) – nichtsdestotrotz

Vorspann / Teaser

Obwohl, wenn auch, trotzdem. Irgendwann fallen einem diese Wörter ein, wenn es nach Wochen und Monaten endlich wieder zu Konzerten mit live dargebotener Musik kommt. Wer hätte sich noch vor einem halben Jahr Gedanken über Hygienekonzepte an solchen Orten gemacht? Da reichte einem schon der öffentlich angepinnte Reinigungsplan an der Tür zur zweiten Visitenkarte. Nun aber geht es in der „Neuen Normalität“ um Abstände, um Vereinzelung auf den Laufwegen, manchmal kurioserweise gar um Kubikmeter.

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Im Vergleich zu den schon wieder voll besetzten Flugzeugen oder gut bestückten U-Bahnen wird dabei allerdings mit unterschiedlichem Maß gemessen. Und so machte bereits der Vorschlag die Runde, ob man nicht eher in solchen Verkehrsmitteln statt im angestammten Saal Konzerte abhalten solle.

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Sie werden platziert. Namentliche Zuordnung in Corona-Zeiten. Foto: mku

Sie werden platziert. Namentliche Zuordnung in Corona-Zeiten. Foto: mku

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Doch auch ganz real sind Veranstalter auf kreative Lösungen angewiesen. Da werden bei fester Bestuhlung reihenweise Plätze freigehalten, bestimmte Einlasszeiten vorgegeben und Pausen vermieden. Für große Säle vermutlich unvermeidbar, beim Open Air auf der Wiese können hingegen die Intervalle einfacher und selbstverantwortlich geregelt werden – wenn sich das Publikum überhaupt zu kommen traut. Auch bei den Kammermusiktagen im Saarländischen Mettlach hatte man sich die Frage gestellt, ob die 35. Ausgabe in diesem Jahr durchführbar sei. Da das üblicherweise genutzte barocke Refektorium in der Alten Abtei zwar eine gute Akustik hat, nicht aber corona-konform hätte eingerichtet werden können, wurden alle Veranstaltungen in den Zeltpalast Merzig verlegt. Eine ungewöhnliche Entscheidung, die es allerdings allen Beteiligten leicht machte, sich mit Freude wieder der Musik hinzugeben: „Alle erforderlichen Interaktionen zwischen Saal, Publikum und Künstlern erfolgen kontaktlos“, war in der Ankündigung zu lesen. Also alles wie gewohnt, nur dass die einzelnen, paarweisen oder in größeren Einheiten familiär gruppierten Klappstühle namentlich gekennzeichnet und mit gebührender Distanz voneinander aufgestellt waren, im nicht minder großräumigen Foyer-Zelt farbig eingezogene Wegmarken zu den Gratis-Getränken führten und man sich selbstverständlich abseits seines Sitzplatzes nur mit dem schon zum Modeartikel gewordenen „Schnutenpulli“ bewegte.

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Eine gute Nachricht: Endlich wohlgeordnete Schlangen am Pausenbuffet. Foto: mku

Eine gute Nachricht: Endlich wohlgeordnete Schlangen am Pausenbuffet. Foto: mku

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Bei einem rötlich-warm ausgeleuchteten Ambiente stellte sich denn auch tatsächlich bald eine entspannte Stimmung ein – zumal auf der Bühne, wo an drei Tagen in unterschiedlichen Formationen Bestes geboten wurde: vom Goldmund-Quartett ein feinnervig, betont kammermusikalisch ausgehörter Schubert (D 810), von Sebastian Manz (Klarinette) ein intelligent durchgeatmetes Mozart-Quintett, gemeinsam mit Franziska Hölscher (Violine) kantige Bartók-Kontraste, schließlich gar mit Unterstützung von drei Saarbrückener Hochschulstudenten ein sehr musikantisch dargebotenes Mendelssohn-Oktett. Zur Matinee fanden sich zusätzlich Ramón Ortega Quero (Oboe) und Kit Armstrong (Klavier) ein. Letzterer ist mit nun schon 28 Jahren ein ausgeprägt nachdenkender und sich auch wohlüberlegt in Worten ausdrückender Pianist geworden: Während des kurzweiligen morgendlichen Künstlergesprächs wurde der überraschend ahnungslose Radio-Moderator mit intellektueller Lust geradezu gegrillt. So kann der Festival-Sommer doch noch kommen.

Ihr

Michael Kube

REIHE 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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