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Holzstuhlreihen mit beigem Polster und rotem Teppich darunter.

Reihe 9 in der Oper Leipzig.

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Reihe 9 (#60) – Johohoe!

Vorspann / Teaser

Nun soll also auch Wagners Bayreuth digital werden. Gemeint ist natürlich nicht das Ticketing (das ist schon lange auf dem Stand der Dinge – einschliesslich aller Wartelisten), sondern die Inszenierung. Für 2023 hat Jay Scheib, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), den Auftrag bekommen, Parsifal digital aufzuarbeiten und mit Virtual Reality zu versetzen: „Wagner hat das Orchester verschwinden lassen, damit wir eine immer tiefere Verbindung zwischen der Musik und dem Bild aufbauen können. Ich denke, unser Job wird sein, das Theater verschwinden zu lassen oder zumindest so nah wie möglich an diese Erfahrung heranzukommen.“ (Scheib gegenüber dpa)

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Einen Vorgeschmack darauf gab er bereits diesen Sommer, als Siegfrieds Drachenkampf zum kurzweiligen Pausen-Spektakel wurde: Einmal selbst in bester Game-Ästhetik den Helden spielen dürfen. Für einen ganzen Abend aber bleibt Skepsis angesagt, denn mit einer VR-Brille sieht man ausschliesslich und für jeden gleich eine nur künstlich erschaffene, animierte Realität, während unser Auge und unsere Erwartungen bisher aus dem „unvollkommen“ Vorhandenen individuelle Bilder entstehen liessen.

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Bühnenbild: Das Schiff des fliegenden Holländers mit Segeln, die an rot lichtdurchleuchtete Haut erinnern.

Schiff ahoi! Bühnentechnik, die begeistert. Foto (Hauptprobe): Tom Schulze / Oper Leipzig

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Da lobe ich mir die bewährte, gute alte Maschinerie, besonders die Möglichkeiten einer Drehbühne. Das mag zwar bloß „analog“ sein, ist aber unmittelbar vom gesamten Publikum erfahrbar und setzt mitunter auch gruppendynamische Prozesse in Gang. Kino habe ich allein daheim. Wenn aber Szenen vorüberziehen und die Protagonisten gegen die Bewegung laufen, sie also auf einer Reise in die Vergangenheit sind, oder manchmal nur ein Türrahmen ausreicht, um in eine andere Welt einzutreten, dann eröffnet das Gedankenräume. Es liegt an der Fantasie und dem Erfindungsreichtum, was aus den Möglichkeiten vor Ort alles herausgeholt wird. Eigentlich liegt dabei die Kunst eher im Detail, manchmal aber ist es auch die grosse Geste, die einen in den Sessel drückt. So jüngst in der Leipziger Oper bei Wagners Fliegendem Holländer. Wie ein Schiff auf die Bühne bringen oder zumindest den singenden Wettkampf zwischen der norwegischen Crew und dem Chor der Untoten greifbar werden lassen? Der Holländer (!) Michiel Dijkema hat in seiner Inszenierung und dem ebenfalls von ihm verantworteten Bühnenbau grossartige Bilder geschaffen und tief in die Theater-Trickkiste gegriffen: So legt die rote Fregatte im dritten Aufzug nicht nur in Sandwike ab, sie segelt mehr noch in voller Takelage geradewegs ins Parkett hinein. Atemberaubend, denn plötzlich gesellt sich zur brodelnden Partitur noch ein bedrohliches Bild. Grosser Szenenapplaus. Das ist multimediale Oper.

Ihr

Michael Kube

REIHE 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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Reihe 9 (#61) – 2G

Vorspann / Teaser

Soviel „Zwei“ war noch nie. Nein, ich meine nicht die vielerorts geltenden, genau zählenden Zugangsbeschränkungen. Manchmal reicht auch der Blick in den Kalender. Auf allen Standesämtern dieser Welt wird man jedenfalls...

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