Wer seinem festen Abonnement vor Ort vertraut, wird auf bestimmte Zeiten trainiert sein. So hat die sonntägliche Matinee schon immer um 11 Uhr begonnen, das abendliche Konzertvergnügen dann regelmäßig auch zu einer festgesetzten Uhrzeit. Nur dem, der ein wenig zwischen den verschiedenen Metropolen und Städten wandelt, wird es vielleicht auffallen, dass der Moment des dritten Klingelns gar nicht so festgelegt ist, wie man zu glauben geneigt sein könnte.
So begannen in meiner Heimatstadt an der Förde die Sinfoniekonzerte regelmäßig um 20 Uhr – hernach ging es in die Cocktailbar, die es nun auch schon lange nicht mehr gibt. Hunderte Kilometer der Elbe entlang aufwärts wird hingegen schon viel eher der Taktstock geschwungen, mal um 19:30 Uhr, sonntags gar um 18 Uhr. Da bleibt dann nach der großen Sinfonie zum Ausklang des Wochenendes noch genug vom Abend, um die Leere des Magens kulinarisch zu füllen.
Offenbar pflegt in diesem Sinne jedes Haus und jeder Klangkörper eine eigene, an den Rhythmus der Stadt angepasste Kultur, denn im Süden Europas legt man gerne noch eine Stunde zu, bevor die Türen zum ersten Ton gegen 21 Uhr schließen. Aber ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass alle Konzert- und Opernhäuser im Saal ohne Zeitanzeige auskommen? Fast alle jedenfalls. Anders als auf dem Bahnhof oder Flughafen möchte man hier offenbar einmal der Zeit enthoben sein, nicht an kommende Termine denken, und die allgegenwärtige Eile ablegen (es sei denn, das lange Finale stehe plötzlich dem letzten Tram entgegen). Hier hält die Zeit an oder rast dahin. – So ergeht es mir auch mit der „Reihe 9“, die nun am Ende ihres 6. Jahres mit der 72. Folge an dieser Stelle schliesst. Aber wie heisst es schon bei Paulchen Panther? „Heute ist nicht alle Tage, ich komm’ wieder, keine Frage.“ Und so wird diese Kolumne ab Januar 2023 in der neuen musikzeitung (nmz.de) unter identischem Namen sowie auch weiterhin unter reihe9.ch ihre Fortsetzung finden. In aller gegenseitigen Freundschaft – und mit einem herzlichen Dank an die umsichtige Redaktion (merci, liebe Pia!) sowie an alle interessierten Leserinnen und Leser: auf bald an anderer Stelle!
Ihr
Michael Kube
Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.
Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen) und berät des Berliner Klassik-Portal «www.idagio.com». Darüber hinaus ist er Juror für den «Preis der deutschen Schallplattenkritik». Seit der Saison 2015/16 konzipiert er die Familienkonzerte «phil. zu entdecken» der Dresdner Philharmoniker. Zudem unterrichtet Michael Kube Musikwissenschaft an der Musikhochschule Stuttgart sowie an der Universität Würzburg. - Für die nmz schreibt er seit 2009.