Sommerzeit ist Festivalzeit. Denkt man. Denn was kann es Schöneres geben, als unter blauem Himmel bei warmen Temperaturen und ohne zeitlichen Stress einer Musik zu lauschen? Ein Festival im Januar aber findet nunmal „indoor“ statt – und kann sich ganz auf ein stimmiges Programm konzentrieren. So im schweizerischen Basel, wo das avancierte Mizmorim Kammermusik Festival ein kleines Jubiläum feierte und mit außergewöhnlichen Werken über die Bühnen der Stadt ging.
Reihe 9 (#86) – Wintermusik
Die alte Stadt am Rhein fasziniert mich immer wieder durch ihre Gegensätze von historischer Substanz und zeitgenössischer Moderne, ohne dass man diese als „spannungsgeladen“ auffassen müsste. Das lässt sich schon am Haupt- und dem Neubau des Kunstmuseums beobachten, wie auch an dem einen oder anderen Straßenzug. Man kann sich heute kaum vorstellen, dass etwa der Jahrhunderte alte Schmiedenhof noch 1970 zur Disposition stand und beinahe abgerissen worden wäre. Im Zunftsaal geben die historisierenden Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert einen Einblick in das alte Denken über eine noch ältere, vergangene Zeit – und geben dennoch eine verblüffend stimmige und warme Kulisse für neue und neueste Kammermusik. Die nämlich steht beim Mizmorim Festival hoch im Kurs. Michal Lewkowicz, die als künstlerische Leitung das Festival seit der ersten Ausgabe prägt, schlägt dabei Brücken zwischen Religionen und Kulturen – und dies auch hier in einer wunderbar unaufgeregten Weise, obwohl der aus dem Hebräischen entlehnte Name (übersetzt steht er für die Gesamtheit der Psalmen aus dem Alten Testament) nicht nur oberflächlich auf die hymnischen Lobgesänge verweist, sondern auf die Texte selbst, die über alle Grenzen hinweg von Liebe und Wut, Verzweiflung und Hoffnung singen.
Wohl eher zufällig waren unter dem etwas kryptisch anmutendem Motto „Psalm geheim“ nach einer kleinen Auswahl aus den Biblischen Liedern von Antonín Dvořák Werke von gleich mehreren Komponist:innen versammelt, die 1984 geboren wurden: eine poetische Hommage an die Nacht (Aram Hovhannisyan), ein nur so vor Kraft strotzendes, unglaublich agiles Streichquartett (Rough Surfaces) von Victor Alexandu Coltea (Hut ab vor dem jungen Turicum Quartett!) und sehr stille, nachdenkliche Mysterious Scenes für Violine solo (Eleni Ralli, gespielt von Ilya Gringolts).
Weiterlesen mit nmz+
Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.
Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50
oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.
Ihr Account wird sofort freigeschaltet!