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Resozialisation

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Alle Jahre wieder gibt’s eine Resolution, vom Deutschen Musikrat. Auch in diesem Jahr blieb man der Tradition treu. Thema: Digitalisierung – ohne Urheber keine Kreativität. Schon der Titel zeigt, dass man mit diesem Luftgedankenpapier völlig ins Klo gegriffen hat. Eine simple Verkehrung des Zusammenhangs, ohne Kreativität keine Urheber hätte man wohl besser sagen sollen, wenn man das Bedingende erkannt hätte. Auch das Schlagwort „Digitalisierung“ wirkt in diesem Zusammenhang etwas unglücklich. Genauso könnte da stehen: Notenpapier, Callcenter oder Nachtclub. So ist das, der eine spielt gerade Skat, der andere Maumau. Sie haben das gleiche Kartenspiel, aber sonst wenig gemeinsam.


Der Inhalt des Textes, der dann folgt, kann kaum noch besser werden. Aber besonders schlimm ist die ganz unglückliche Aufrechnung: „Das Ziel, jeder Bürgerin und jedem Bürger kulturelle Teilhabe unabhängig seiner sozialen und ethnischen Herkunft zu ermöglichen, darf nicht dazu führen, dass sich Kreativität nicht mehr lohnt.“ Leute, wo ist denn da der Zusammenhang, den man unterstellt? Und selbst wenn es dazu führen würde, wie wäre es, dann das Metier zu wechseln. Niemand wird gezwungen, kreativ zu sein, aber so klingt es. Wer hat denn überhaupt festgelegt, dass Kreativität sich lohnen müsse. „Arbeit muss sich wieder lohnen“, schrie es vor kurzem der Westerwelle vom Plakat. Und der war wohl auch Vater des Gedankens, wenn es nicht sowieso der Gorny Dieter war. Der liebt nämlich die runden Tische, die man sich vom Deutschen Musikrat zu diesem Thema wünscht, natürlich mit dem notorischen Neumann als Strohmann obendrauf. Einen Schreibtisch in der Schule wünscht man denen, die diese Resolution verabschiedet haben, mit etwas Literatur drauf meinetwegen zum Nachsitzen. Alternativ dürfte auch ein Häkelkurs nicht unter 34 Wochen genügen – der Deutsche Musikrat braucht eher eine Resozialisation als eine weitere Resolution.

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