Eckart Rohlfs stöberte in alten Ausgaben der neuen musikzeitung
Vor 100 Jahren
... haben „die haltlosen Zustände zu einem Zusammenschluss fachgemäß gebildeter Elemente des Musiklehrerstandes geführt als dessen Ergebnis die zielbewusste Reformarbeit des ‚Musikpädagogischen Verbandes’ anzusehen ist ... Die Tätigkeit umfasst die eigentlichen Standesinteressen in sozialer und künstlerischer Hinsicht“.
Hierzu der Vorsitzende Prof. Xaver Scharwenka: „Der Musikpädagogische Verein möchte nun etwas vom Staat respektive von der Regierung erreichen. Der erzieherische Wert der Musik wird längst von keinem Kulturstaat mehr geleugnet, aber man muss sich vor Augen halten, um die Ungereimtheit der Tatsache zu begreifen, dass das Lehren von Musik im Deutschen Reich eine durchaus vogelfreie Sache ist ... beim Musiklehrer wird nach einem Nachweis nicht gefragt. Es gibt kein Staatsexamen für Musiklehrer ... Solange es noch an behördlichen Vorschriften fehlt, will der Musikpädagogische Verbande die Interessen der Berufsgenossen schützen und fördern insofern als er diesen die Möglichkeit erschließt, vor einer berufenen Instanz alle die Fähigkeiten und Fertigkeiten nachzuweisen, die zur Erteilung eines fachgemäßen musikalischen Unterrichts nach künstlerischen Gesichtspunkten erforderlich sind.“ „Wenn der Staat nur insofern eintreten wollte, als er die Oberaufsicht über das Prüfungswesen selbst in die Hand nimmt, so wäre schon viel geholfen“, kommentiert die nmz.
(Neue Musik-Zeitung, Stuttgart-Leipzig, 21. Januar 1909, Seite 165f.)
Vor 50 Jahren
... berichtet Josef Anton Riedl über die Donaueschinger Musiktage 1958: „Stockhausens ‚Gruppen für drei Orchester’ dirigierten Stockhausen, Boulez und Rosbaud, der musikalische Motor der Donaueschinger Musiktage nach 1946. Eine interessantere Besetzung des Dirigentenpultes lässt sich nicht denken ... Die Uraufführung ‚Poésie pour pouvoir’ von Boulez: eine überraschend differenzierte Anwendung der Komponente Raum liegt hier vor ... Alle Aufführungen zeichneten sich durch ein ungewöhnlich hohes Niveau aus. Es gab reichlichen Applaus, stürmischen für Stockhausen, mit Pfeifen vermischten für Boulez.“
Erich Limmert meinte dagegen: „In ‚Poésie pour pouvoir’ schwebt Boulez vor, ‚den schöpferischen Rauschzustand zu organisieren’. Dieses Unternehmen scheiterte an der Unzulänglichkeit des Komponisten, die orchestrale Klangwelt und die elektro-akustische so zusammenzuführen, dass wenigstens ein diskutables Experiment hätte gewährleistet sein können ... Nach zweimaligem Hören stellte ich resigniert fest, dass hier nicht der ‚schöpferische Rauschzustand’ organisiert ist, sondern die ödeste Langeweile, die man sich vorstellen kann. Hier scheint die Technik für totales schöpferisches Unvermögen missbraucht worden zu sein ... Er schien nur beweisen zu wollen, dass diese beiden gegensätzlichen Welten nie und nimmer unter einen Hut zu bringen sind. Die erwartete Sensation, leider auch der berechtigte Skandal blieben aus. Die musikalischen Fachleute schienen ratlos gewesen zu sei. Jedenfalls gab es nur äußerst matten, spärlichen Beifall – es lohnte sich nicht einmal zu pfeifen!“ „... Die bange Frage verantwortungsbewusster künstlerischer Menschen: Wie soll das weitergehen?“
(7. Jahrgang, Nr. 6, Dez./Jan 1958/1959, Seiten 2/3)