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Konzertsituation. Foto: Hufner
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Schweizer Rundfunk droht die Abschaffung

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Ein Kommentar von Andreas Kolb
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Früher dachte man, die Schweizer-Sonderwege seien für die Europäische Union nicht relevant und nahm sie als europäischen Folklorismus zur Kennntnis oder auch nicht. Das hat sich gewandelt, Entwicklungen in der Schweiz werden zunehmend bedeutsam für die EU. Das bezieht sich nicht nur auf das Ende der Schweiz als alpines Refugium für Europas Steuerhinterzieher.

 Es zeigt sich auch in dem Phänomen der Schweizerisierung Europas, also dem Zerfall in regionale Einheiten, schweizerisch Kantone, wie es sich in neuen und alten nationalen Bewegungen wie in Katalonien, Schottland oder Grönland zeigt. Der Brexit ist dabei nur ein Sonderfall im XXL-Format.
Dieses Mal prescht die Schweiz in Sachen öffentlicher Rundfunk vor. Ende November meldete der Bayerische Rundfunk, „der Schweizerische Rundfunk zieht sich aus der finanziellen Förderung des Orchestra della Svizzera italiana (OSI) mit Sitz in Lugano zurück. In Kürze werden die Orchestermitglieder ihre vorsorgliche Kündigung zum Jahresende 2017 erhalten.“ Ab 2018 stünde der Probesaal im Radiostudio Lugano den Musikern nur noch gegen Miete zur Verfügung. Der Rundfunk verteidigte seinen Rückzug aus der Förderung des Orchesters mit der allgemeinen finanziellen Situation.
Jetzt droht der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft (SRG) womöglich bald selbst die Abschaffung: Vor der Kulisse, dass in Deutschland die Stimmen gegen die Rundfunkgebühr nicht verstummen, dass Zeitungsverleger von unlauterer Konkurrenz durch Funk und Fernsehen sprechen, erhält  die so genannte NO-BILLAG-Initiative in der Schweiz neues Gewicht.

Am 4. März 2018 entscheiden die Schweizer Stimmbürger darüber, ob sie die derzeit noch von der BILLAG eingezogenen Radio- und TV-Gebühren abschaffen wollen. Dies würde das Aus für das öffentliche Medienhauses SRG bedeuten. In der Folge wäre die Schweiz das einzige westeuropäische Land ohne öffentlichen Rundfunk. Der Bund müsste Sendekonzessionen versteigern, man vermutetet, dass das kapitalkräftige Medienimperium des rechtskonservativen Blocher hier bereits ante portas steht.

Die Billag AG ist das Pendant zur deutschen GEZ und ist für die Erhebung der Radio- und Fernsehempfangsgebühren zuständig. Der Kunstname setzt sich zusammen aus englisch „Bill“ (Rechnung) und Aktiengesellschaft, also wörtlich „Rechnungs-AG“. Eigentlich müsste die Initiative NO SERAFE heißen, denn am 10. März 2017 wurde bekannt, dass die Billag AG ihr Mandat zum Inkasso der Radio- und TV-Gebühren nach 18 Jahren verliert. In einer öffentlichen Ausschreibung durch das Schweizer Bundesamt für Kommunikation hat die Serafe AG dank einem besseren Preis-Leistungsverhältnis den Zuschlag erhalten und wird diese Aufgabe ab dem 1. Januar 2019 vollziehen. Das Mandat läuft bis 2025.

Nun ist der öffentlich rechtliche Rundfunk in Deutschland kein Verein wie die SRG, sondern eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die nicht abgewählt werden kann. Aber auch in Deutschland warnen die Intendanten vor einer sich abzeichnenden Debatte um die Abschaffung der Öffentlich-Rechtlichen. Die ZEIT forderte gar: „Die Öffentlich-Rechtlichen müssen ihren Wert für die Gemeinschaft unter Beweis stellen. Dafür sollten sie sich einer unabhängigen Qualitätsprüfung unterziehen lassen.“

Ein Musikleben ohne  Rundfunkorches­ter und -Chöre, ohne Big Bands, ohne Festivals und Konzert­serien der Sendehäuser, aber auch ohne einen Kulturjournalismus, der nicht nur auf Quote, neudeutsch Klicks zielt, ist schlecht vorstellbar. Am 4. März geht es in der Schweiz also nicht nur um die Abschaffung einer Gebühr, sondern um den potenziellen Ausverkauf eines zentralen Akteurs der eidgenössischen Musikkultur. Wir sollten genau hinschauen.

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