Ist 69 das neue 27? – so tönte es Anfang des Jahres aus dem Blätterwald, als kurz hintereinander David Bowie, Lemmy Kilmister und der Schauspieler Alan Rickman („Harry Potter“) das Zeitliche segneten. Wobei „Starman“ David Bowie seinen Tod genauso inszenierte wie den Großteil seines bewegten Lebens: sein Album „Blackstar“ inklusive der Single „Lazarus“ – im Video steht er von den Toten auf, echt gruslig – erschien genau zwei Tage vor seinem Ableben … Planung ist eben das, ähm, halbe Leben.
Bei Lemmy war das schon was ganz anderes: Insider fragten sich seit langem, ob das Motörhead Enfant Terrible womöglich nur aufgrund des reinen Alkohols im Blut konserviert und am Leben erhalten wurde, doch dann schlug der Blitzkrebs gnadenlos zu.
Und als wenn das alles nicht schon genug für die Rock- und Popfans auf der ganzen Welt gewesen wäre, stirbt uns auch noch der Prince weg, weil er aus religiösen Gründen sein Hüftleiden, das von zu viel Hüftenschwingen kam, nicht durch eine Operation beheben, sondern nur mit starken Schmerzmitteln betäuben durfte. Entertainer-Hoffnung Roger Cicero kurierte seine Grippe anscheinend nicht richtig aus, was ist nur los in diesem Jahr? Und was soll überhaupt danach noch kommen? Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain und Amy Winehouse können nur mehr im himmlischen oder höllischen Orchester mitspielen, die Alten sterben weg, oh mei.
Da erfreut doch eine Nachricht unser Herz: uns Udo Lindenberg, selbst ernannte „Paniknachtigall“ hält durch, hat die magische 69er-Grenze elegant übersprungen und feierte am 17. Mai seinen 70. Geburtstag. Und das obwohl die Männer in seiner Familie alle schon mit 68 das Zeitliche segneten.
Jetzt mögen die Asketen stirnrunzelnd anmerken, dass er ja auch nicht so den gesündesten Lebenswandel vorzuweisen hat: Im Atlantik-Hotel, seiner Wohnstatt seit vielen Jahrzehnten, fanden an der Bar diverse Alkoholexzesse unter anderem mit dem verstorbenen Harald Juhnke statt. 2001 wurde er mit 4,7 Promille in ein Hamburger Krankenhaus eingeliefert. Und auch wenn er nach dem Tod seines Bruders das Trinken aufgehört haben soll, ohne seine kubanischen Zigarren geht gar nix.
Trotzdem springt er verjüngt, er soll sogar joggen, dem Gevatter Tod immer wieder von der Schippe, was er auch auf seinem neuesten Album „Stärker als die Zeit“ plakativ besingt: „Ich sitze an der Bar, mit ’nem Drink und ’ner Cigar, da schleicht herein der Sensenmann, macht mich blöde von der Seite an.“ – „Jetzt doch noch nicht, Gevatter“, nuschelt Udo lässig. „Nee, geh lieber noch mal um die Häuser, einen saufen. Und komm in 30 Jahren wieder.“ – Das ist doch mal wahre deutsche Poesie, oder? Schließlich hat ihn einer seiner besten Freunde, Benjamin von Stuckrad-Barre, vor kurzem als den größten deutschen Nachkriegslyriker bezeichnet. Nun ja …
In wilden Zeiten in den 1970er-Jahren war Lindenberg übrigens einmal in die gleich Frau, nein eigentlich Mann, verliebt wie David Bowie. Romy Haag unterhielt damals einen Nachtclub in Berlin. Zu dem angeblichen Dreiecksverhältnis merkte er in einem Interview an: „Darüber schweigt der Gentleman. David Bowie und ich, sagen wir so, trafen ein freundschaftliches Arrangement.“ Und so schließt sich der Kreis. Möge er noch lange dem Sensenmann davon hüpfen.